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Wann kommt die Bilanzpolizei?

Von Peter Humer

Europaarchiv
Geschäftsabschlüsse sollen noch genauer unter die Lupe genommen werden. Foto: bbox

Gesetz soll zusätzliche Kontrollinstanz schaffen. | Unterschiedliche Auslegungen. | Es droht Rechtsunsicherheit. | Wien. Die Überprüfung von Bilanzen wird verschärft - es fragt sich nur wann. Mit dem geplanten Enforcementstellen-Gesetz soll eine zusätzliche unabhängige Stelle zur Prüfung von Jahresabschlüssen kapitalmarktorientierter Unternehmen eingerichtet werden. Oberstes Ziel der Enforcement-Initiative ist die einheitliche, qualitativ hochstehende Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards (IFRS). So sehen es die EU-Richtlinien zur Harmonisierung der Transparenzanforderungen vor.


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Gesetzesentwurf auf Warteposition

Das Finanzministerium (BMF) hat im August 2006 einen Entwurf über das Enforcementstellen-Gesetz vorgelegt. Darin schlägt es eine zweistufige Kontrollstelle, bestehend aus einer unabhängigen Prüfstelle und einer Enforcement-Behörde, vor. Welche Einrichtung als Enforcement-Behörde tätig werden soll, ist noch nicht geklärt. Mögliche Kandidaten für die Behörde sind der Börseberufungssenat und die Finanzmarktaufsicht.

Wie viele Kontrollstellen sind sinnvoll?

Ganz zu schweigen von den Banken, die ohnehin noch der Bankenaufsicht unterliegen, soll also neben Aufsichtsrat und Abschlussprüfer eine zusätzliche, zweistufige Kontrollinstanz kommen. Man fragt sich, ob das nicht zu viel des Guten ist. Steigt damit die Rechtssicherheit wirklich? Und wer trägt die Kosten für den zusätzlichen Aufwand?

Positiv betrachtet, trägt das neue Gesetz dazu bei, dass die Unternehmen richtige Jahresabschlüsse im ureigensten Interesse erstellen. Damit hätte es eine präventive Wirkung.

Vielleicht hilft das Gesetz auch Abschlussprüfern beim Durchsetzen wichtiger Bewertungsfragen, wenn im Hintergrund ständig die "Bilanzpolizei" lauert.

Zu befürchten ist jedoch, dass es zu noch mehr Auslegungen der ohnedies schwierigen Bestimmungen kommt. Damit droht eine höhere Rechtsunsicherheit. Und dies zu einem Zeitpunkt, zu dem der Vorstand schon längst den Jahresabschluss erledigt hat und sich auf Gegenwart und Zukunft konzentrieren sollte. Reicht es wirklich nicht aus, wenn Vorstand und Abschlussprüfer mit dem Aufsichtsrat im Prüfungsausschuss Themen abhandeln?

Das Ziel des Gesetzgebers ist klar: Das Vertrauen in den Kapitalmarkt soll gestärkt werden. Die Kosten, die daraus für Unternehmen entstehen, sollten laut Gesetzgeber durch den positiven Effekt auf den Kapitalmarkt mehr als ausgeglichen werden. Ob diese Rechnung aufgeht, wird allerdings kaum jemals belegt werden können.

"Enforcement light" und Beschwerdestelle

In Österreich sind Maßnahmen zur Stärkung des Vertrauens in die Abschlüsse börsenotierter Unternehmen angezeigt. Überlegenswert wären ein "Enforcement light" und die Einrichtung einer Beschwerdestelle. Insbesondere im Hinblick auf eine Senkung der Bürokratiekosten kann ein weitgehender Selbstregulierungsansatz als sehr gute Ausgangsbasis gelten.

Angeregt sei, dass in den grundsätzlichen Fragen der Enforcement-Ausgestaltung in Österreich noch eine eingehende Diskussion mit allen Kapitalmarktteilnehmern geführt werden sollte.

Peter Humer ist Geschäftsführer der KPMG im Bereich Wirtschaftsprüfung (Audit).

Enforcementstellengesetz

Die EU-Transparenzrichtlinie 2004/109/EG sieht unter anderem die Einrichtung nationaler Enforcementstellen vor. Diese sollen die Einhaltung der internationalen Rechnungslegungsstandards (IFRS) von kapitalmarktorientierten Unternehmen prüfen.

Denn seit der IAS-Verordnung der EU müssen jene Unternehmen ihre Abschlüsse für Geschäftsjahre nach den IFRS aufstellen.

Einen Zeitpunkt, bis zu dem die Enforcementstellen eingerichtet sein müssen, schreibt die Richtlinie nicht vor. Das Finanzministerium hat einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der die Einrichtung einer zweistufigen Enforcementstelle vorsieht.