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Wann könnte es genug sein?

Von Hilde Weiss

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Immer öfter geht man im Zeitalter der Superlative bis zum absolut Äußersten und ohne mit einer Wimper zu zucken darüber hinaus. Aber wohin?


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Höher, schneller, weiter, teurer, und wenn das nicht reicht, greift man zum Superlativ, denn er ist - oder war - die Höchststufe, die Meiststufe, die letzte Steigerungsstufe (vom lateinischen Wort superlatus für übertrieben, wörtlich: "darüber hinausgetragen"). Ein gewisser Hang zum Exaltierten ist hier also kaum zu vermeiden. Statt nun aber sparsam, behutsam, wirkungserhaltend mit den Extremen umzugehen, ist vielen mittlerweile das Übertreiben der Übertreibung schon nicht mehr übertrieben genug.

"Extremster" Einsatz, "idealste" Versorgung, "optimalst" gelegen: Das Beste (Höchste, Meiste) reicht immer öfter nicht mehr. Immer mehr Menschen verlangen das "Maximalste", am liebsten mit "minimalstem" Risiko, auch wenn das "völligster" Unsinn ist. Denn maximal heißt bekanntlich größtmöglich, höchstmöglich (vom lateinischen Wort maximus für größter, wichtigster, bedeutendster). Mehr gibt’s nicht.

Optimal bedeutet bestmöglich (vom lateinischen Wort optimus für bester, hervorragendster). Die grassierende Superlativitis verleitet viele Menschen jedoch, an das "Optimalste" zu glauben - und an das "Idealste": Ideal heißt aber, eng verwandt mit dem Idealismus, der Idealisierung, der Ideologie, dem Idol und der Idylle, vollkommen, nicht besser vorstellbar (vom mittellateinischen Wort idealis, dem Urbild entsprechend und daher vollkommen, vorbildlich).

"Perfekter" geht’s nicht, denn perfekt heißt vollendet, vollkommen (vom lateinischen Wort perfectus für vollendet, wörtlich: "fertig gemacht"). "Totaler" geht’s auch nicht, denn total bedeutet, eng verwandt mit dem Totalitären, vollständig, ganz, ganz und gar (vom lateinischen Wort totus für ganz, gänzlich, völlig).

Was könnte "ganzer" sein?

"Absoluteste" Präzision gibt es nicht, denn absolut bedeutet völlig, vollkommen (vom lateinischen Wort absolutus für losgelöst, unabhängig, in sich abgeschlossen und daher vollständig). "Extremste" Bedingungen sind extrem unfair, denn extrem heißt äußerst (vom lateinischen Wort extremus für äußerster).

Einmal muss Schluss sein, spätestens, wenn etwas erstklassig ist, vollendet, einzig oder endgültig. "Bestmöglichst"? Bestmöglich reicht, denn besser als am besten geht’s nicht. Mehr als den größtmöglichen Vorsprung kann man nicht haben. Das Wissen, wann es genug ist, ist aber offenbar verschüttet. Die "meistgekauftesten" Geräte, die "größtmöglichsten" Gewinnaussichten und die "bestangezogensten" Zeitgenossen werden daher immer mehr, während das Meistgekaufte, das Größtmögliche und die Bestangezogenen daneben blass, kraftlos, uninteressant wirken. Das "Weitestgehendste" wurde zum "Nächstliegendsten", "totalst" abgehoben. Nein, "tiefstschürfendste" Nachforschungen braucht man nicht, um das festzustellen.

Der Champion hingegen ist seinem Namen nach nicht unbedingt der Beste, der Sieger, der Meister, sondern steht vom lateinischen Wort campus kommend für Feld, Schlachtfeld, eng verwandt mit dem Kampieren und der Kampagne, "der Kämpfer".