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Wann "Schatzi" zur Belästigung wird

Von Martina Madner

Politik
© fotolia/DDRockstar

Zum Rechtsstaat gehört, dass der Arbeitgeber Frauen und Männer am Arbeitsplatz vor Belästigung schützt.


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Wien. #Metoo, die Debatte im Netz über sexuelle Belästigung, ist in Österreich angekommen. Das Wissen darüber, wo die Grenzen zwischen Geschmacklosem, aber Erlaubten, sexueller Belästigung am Arbeitsplatz und nach dem Strafrecht verbotener verläuft, aber scheinbar nicht.

Die frühere Fernsehmoderatorin Chris Lohner glaubt auf Facebook, dass sich "jeder Mann davor fürchten muss, mit einer Frau allein in einem Lift, Raum zu sein". Rechtsanwalt Werner Tomanek rät in der Puls4-Diskussion zum Thema Männern dazu, "Bodycams zu tragen". Und Peter Pilz stellte in einer seiner Abschiedspressekonferenzen gleich das gesamte Rechtssystem in Frage: "Ist das noch ein Rechtsstaat? Ist das noch ein seriöses und faires Verfahren? Wo sind wir überhaupt?"

Zwar haben die meisten Männer offenbar überhaupt kein Problem, die Grenze zwischen Flirt und sexueller Belästigung zu ziehen. Trotzdem scheint es an der Zeit zu sein, klarzustellen, was nach welchem Recht und von wem wie geahndet werden kann.

Gleichbehandlung gehört zum Rechtsstaat

Zum Schutz vor Diskriminierung am Arbeitsplatz hat die österreichische Regierung ein Gleichbehandlungsgesetz geschaffen. Seit 1991 sind Frauen und Männer damit vor Diskriminierung am Arbeitsplatz geschützt. In einem weiteren Gesetz wurde mit der Gleichbehandlungsanwaltschaft eine Stelle dabei betraut, sich mit der Materie im Gesetz zu befassen. Zu behaupten, die Gleichbehandlungsanwaltschaft agiert außerhalb des Rechtsstaates, ist "Blödsinn", sagt Arbeitsrechtler Martin Risak: "Das ist keine wildgewordene Organisation, sondern eine gesetzlich bestellte Einrichtung." Der Staat schützt seine Bürgerinnen und natürlich auch seine männlichen Bürger damit also vor Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, das Gesetz und die damit befassten Stellen sind also, Gleichbehandlungsanwaltschaft und Gleichbehandlungskommission, genauso Teil des Rechtsstaates wie Arbeits- und Strafgerichte - "nur eben mit unterschiedlichen Aufgaben", sagt Risak, doch dazu später.

Geschlechterbezogene oder sexuelle Belästigung

Worum geht es im Gleichbehandlungsgesetz? Neben vielen anderen Punkten der Antidiskriminierung sind zwei Dinge zur Belästigung vermerkt: die "sexuelle Belästigung" und "geschlechtsbezogene Belästigung". In Paragraph 6 heißt es: "Sexuelle Belästigung liegt vor, wenn ein der sexuellen Sphäre zugehöriges Verhalten gesetzt wird, das die Würde einer Person beeinträchtigt oder dies bezweckt, für die betroffene Person unerwünscht, unangebracht oder anstößig ist."

Das bedeutet aber nicht, dass alles, was außerhalb der sexuellen Sphäre stattfindet, automatisch "geschlechtsbezogene Belästigung" ist, erklärt Arbeitsrechtler Martin Risak. "Schatzi kann eine sein, muss aber nicht." Es gibt drei Voraussetzung dafür: Schatzi muss abwertend gebraucht werden. Für die betroffene Person muss der Ausdruck unerwünscht sein. Und wenn dadurch ein "feindseliges oder demütigendes Umfeld" am Arbeitsplatz geschaffen wird. Wenn Schatzi also als Umgangston laufend unwidersprochen hingenommen wird, nicht als herabwürdigend oder demütigend empfunden wird, ist es keine geschlechtsbezogene Belästigung. Wenn eine Frau also Stopp sagt oder sich beschwert, sollte man(n) es besser bleiben lassen.

Vier Tatbestandselemente der sexuellen Belästigung

In einem Aufsatz in der Zeitschrift "Aktuelles Recht zum Dienstverhältnis" zeigt Gleichbehandlungsanwältin Sabine Wagner-Steinrigl die vier Tatbestandselemente der sexuellen Belästigung nach dem Gleichbehandlungsgesetz auf: Es handelt sich um ein "Verhalten aus der sexuellen Sphäre." Darunter fallen verbale Äußerungen wie etwa sexuell konnotierte Witze genauso wie Bemerkungen über den Körper oder sexuelle Vorlieben, aber auch bildliche Darstellungen bis hin zu unerwünschten Annäherungsversuchen und körperlichen Übergriffen. Als zweites Element nennt sie die Intensität, die ein Mindestmaß überschreiten muss. Ein drittes Element ist die "Unerwünschtheit". Teilen Frau und Mann den gleichen anzüglichen Humor, gibt es auch kein Problem mit sexueller Belästigung. Und viertens muss die Belästigung mit einer Beeinträchtigung des Arbeitsumfeldes verbunden sein, also ein einschüchterndes, feindseliges oder demütigendes Arbeitsumfeld geschaffen werden.

Die Gleichbehandlungsanwaltschaft urteilt nicht

Die Aufgabe der Gleichbehandlungsanwaltschaft ist die Beratung, Unterstützung und Information zu liefern. Auf der Homepage heißt es außerdem: "Wir vertreten und begleiten Sie bei Verhandlungen im Vorfeld eines gerichtlichen Verfahrens oder eines Verfahrens bei der Gleichbehandlungskommission." Die GAW kann außerdem ein Verfahren bei der Gleichbehandlungskommission einleiten oder dem Arbeitgeber einen Vergleich als Lösung vorschlagen. Risak: "Das ist genauso wie die Arbeiterkammer oder Gewerkschaft in Arbeitsrechtfragen berät."

Gleichbehandlungskommission prüft Verstöße

Die Gleichbehandlungskommission hat drei thematische Senate, Senat I ist zuständig für die Gleichbehandlung von Frauen und Männern in der Arbeitswelt, II für Diskriminierungen aus anderen Gründen, zum Beispiel aufgrund der sexuellen Orientierung und III für den diskriminierungsfreien Zugang zu Dienstleistungen. . Die Kommission ist sozialpartnerschaftlich besetzt, die Gleichbehandlungsanwaltschaft hat das Recht mit beratender Stimme teilzunehmen. "Die Kommission prüft Verstöße, erstellt eine Art Gutachten, verhängt aber keine Strafen und spricht auch keine Urteile", sagt Risak. Das Gutachten ist eine Empfehlung an den Arbeitgeber und in einem Arbeitsgerichtsverfahren.

Arbeitgeber haben besondere Fürsorgepflichten

Arbeitgeber haben eine Fürsorgepflicht für ihre Arbeitnehmer. Sie müssen demnach nach Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch dafür sorgen, dass die persönliche und sexuelle Integrität ihrer Mitarbeiter gewahrt bleibt. Laut Gleichbehandlungsgesetz ist der Arbeitgeber auch dazu verpflichtet, "Abhilfe" zu schaffen. Das bedeutet, sexuelle Belästigungen mit sofortiger Wirkung zu verunmöglichen, sobald sie davon "wissen oder wissen müssen. Macht er das nicht, kann er zu Schadenersatz verurteilt werden", sagt Wagner-Steinrigl. Dazu müssen Betroffene beim Arbeitsgericht einen Prozess anstreben. Schadensersatz kann vor Gericht auch gegen den Täter, egal ob Kollege oder Vorgesetzter, eingeklagt werden. Risak: "Das sind mindestens 1000 Euro. Das ist für einen Bauarbeiter viel, für einen Vorstand aber wenig."

Diskriminierungsfreiheit im halböffentlichen Raum

Risak weist darüber hinaus auch auf den dritten Teil des Gleichbehandlungsgesetzes hin, wo es um den "Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen" geht. Demnach müssen auch öffentliche und halböffentliche Einrichtungen dafür sorgen, dass sie Personen nicht aufgrund des Geschlechts oder der ethnischen Zugehörigkeit diskriminiert werden. "Wird eine Frau im Schwimmbad, in der Straßenbahn oder im Gasthaus sexuell belästigt, müssen die jeweils dafür Zuständigen dafür sorgen, dass das aufhört", sagt Risak. "Frauen haben das Recht solche Einrichtungen zu benützen, ohne diskriminiert zu werden."

Sexuelle Belästigung im Strafrecht

Seit 2016 wurde auch das Strafrecht, der Paragraph 218 im Strafgesetzbuch, um einen Passus zu sexueller Belästigung erweitert. Demnach ist es nun strafbar, "eine andere Person durch eine intensive Berührung einer der Geschlechtssphäre zuzuordnenden Körperstelle in ihrer Würde" zu verletzen. Dazu zählen körperliche Übergriffe wie das intensive Berühren des Gesäßes, sofern die Betroffenen das nicht wollen. Wichtig dabei ist, dass die Staatsanwaltschaft Täter nur dann verfolgt, wenn das Opfer sie dazu ermächtigt. Dem Täter droht eine Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder eine Geldstrafe von bis zu 360 Tagessätzen. "Verbale Äußerungen sind zwar ärgerlich, aber nicht strafbar. Den Busen von Frauen auf offener Straße zu kommentieren, ist also nicht strafbar", sagt Risak.