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Wann stirbt die Erbschaftssteuer?

Von Karl Bruckner

Wirtschaft

Aufhebung der Regelung wahrscheinlich. | Politik hat mehrere Optionen. | Wien. Stein des Anstoßes war die Tatsache, dass Liegenschaften für die Erbschafts- und Schenkungssteuer nur mit dem extrem niedrigen, weil seit über 30 Jahren unveränderten Einheitswert bewertet werden. Aus diesem Grund hatte der Verfassungsgerichtshof (VfGH) am 15. März 2006 ein Gesetzesprüfungsverfahren eingeleitet. Neun Monate später, nämlich am 12. Dezember 2006, hat er das Prüfungsverfahren auf die gesamte Erbschaftssteuer, nicht aber der auf die Schenkungssteuer, ausgedehnt. Eine baldige Aufhebung der Erbschaftssteuer wegen Verfassungswidrigkeit könnte die logische Folge sein.


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Nur mehr ein "Torso"

Die Erbschafts- und Schenkungssteuer soll die Bereicherung aus dem unentgeltlichen Erwerb von Vermögenswerten im Erbwege oder durch Schenkungen besteuern. Bereits seit Jahren ist allerdings klar, dass sie aus mehreren Gründen nur mehr ein "Torso" ist:

Kapitalvermögen wie Sparbücher, Bankguthaben, Anleihen, aber auch Aktien- und GmbH-Beteiligungen unter einem Prozent kann im Rahmen der KESt-Endbesteuerung völlig steuerfrei vererbt, nicht aber steuerfrei verschenkt werden.

Liegenschaftsvermögen wird nur mit dem dreifachen Einheitswert bewertet. Die Einheitswerte sind seit Jahrzehnten unverändert und betragen in etwa ein Zwanzigstel bis ein Dreißigstel des Verkehrswertes. Auch der dreifache Einheitswert ist daher nur ein Bruchteil des Verkehrswertes.

Alle übrigen Vermögenswerte wie beispielsweise Unternehmen, Bargeld, Kunstwerke, Autos, Lebensversicherungen, Kaufpreisforderungen oder Forderungen aus Pflichtteilsansprüchen werden nach dem Verkehrswert besteuert, wobei zum Teil mehr oder weniger großzügige Freibeträge bestehen.

Nach nunmehriger vorläufiger Ansicht des VfGH, der sich übrigens erst kürzlich auch der Verwaltungsgerichtshof angeschlossen hat, dürfte überhaupt die ganze Erbschaftssteuer verfassungswidrig sein. Das entscheidende verfassungsrechtliche Problem besteht offensichtlich darin, dass Kapitalvermögen durch die Endbesteuerung ohne ausreichende sachliche Begründung zur Gänze von der Erbschaftssteuer befreit ist. Von der Schenkungssteuer gibt es solche Befreiungen nicht, weshalb diese offensichtlich auch nicht verfassungswidrig ist. Da die Befreiung von der Erbschaftssteuer in einem Verfassungsgesetz, dem Endbesteuerungsgesetz geregelt ist, ist sie für den VfGH nicht angreifbar. Eine verfassungskonforme Steuergerechtigkeit kann daher nur dadurch hergestellt werden, dass die ganze Erbschaftssteuer aufgehoben wird.

Was passiert danach?

Bei einer Aufhebung der Erbschaftssteuer durch den VfGH hat die Politik folgende Optionen:

Die Erbschafts- und Schenkungssteuer wird - wie zum Beispiel von der ÖVP schon im Wahlkampf gefordert - zur Gänze abgeschafft. Budgetär wäre ein solcher Schritt bei einem jährlichen Aufkommen von etwa 140 bis 150 Millionen Euro wohl verkraftbar. Es dürfte sich derzeit allerdings keine parlamentarische Mehrheit dafür finden.

Die Erbschafts- und Schenkungssteuer wird beibehalten und einer Generalreform unterzogen. Dabei müsste für eine verfassungskonforme Lösung aber wohl die Erbschaftssteuerbefreiung für Kapitalvermögen und damit ein wesentlicher Teil der Endbesteuerung geopfert werden. Deren Einführung war jedoch von der ÖVP-SPÖ-Koalition im Jahr 1992 als großer steuerpolitischer Erfolg gefeiert worden. Zumindest die Zustimmung der ÖVP zu einer solchen Variante dürfte deshalb eher unwahrscheinlich sein.

Als Kompromissvariante - allerdings juristisch und politisch verpönt - könnte die SPÖ-ÖVP-Koalition wie schon in den Neunzigerjahren mit ihrer Verfassungsmehrheit das bisherige Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz einfach zum Verfassungsgesetz erheben und damit für den VfGH "immunisieren". Dieser Weg ist wohl ebenfalls eher unwahrscheinlich.

Es verbleibt daher die Variante, dass nach einer Aufhebung der Erbschaftssteuer durch den VfGH politisch gar nichts passiert. Diese dann wohl verfassungskonforme Lösung hätte steuerpolitisch den Vorteil, dass die Schenkungssteuer erhalten bleibt. Daran dürfte auch der Fiskus interessiert sein, da sie wichtige ordnungspolitische Funktionen erfüllt und steuerliche Manipulationen durch Vermögensverschiebungen verhindert. Bleibt die Schenkungssteuer, besteht aber erheblicher Reformbedarf wie etwa die Einführung weiterer steuerlicher Erleichterungen für Unternehmensübertragungen oder die Heranführung der - vor allem für die Grundsteuer relevanten - Grundstücks-Einheitswerte an reale Wertverhältnisse.

Unabhängig von dem Ausgang der Causa "Erbschaftssteuer" wird genügend Zeit für allenfalls erforderliche Reaktionen der betroffenen Steuerpflichtigen bleiben. Vor unüberlegten vorgezogenen Vermögensübertragungen muss jedenfalls gewarnt werden: Diese könnten nämlich möglicherweise bald steuerfrei sein!

Karl Bruckner ist geschäftsführender Gesellschafter der Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft BDO Auxilia und Vizepräsident der Kammer der Wirtschaftstreuhänder.