Die USA, der vermeintliche Freund Europas, sind längst zum Gegner geworden.
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Die Verhaftung eines US-Doppelagenten im deutschen BND schlug wie eine Bombe ein, nicht nur bei der Opposition. Die USA demonstrieren zynisch ihre Politik des Superioren, des Masters, der seinen Büttel an kurzer Leine hält, grad so, wie die Kritik früher die DDR als Besatzungszone, als Satellit der UdSSR sah und entsprechend bewertete.
Eine eigentlich unerträgliche Situation, nicht nur für Deutschland, das - wie ganz Europa - eine Schwäche sondergleichen zeigt.
Dieses Abhängigkeitsverhältnis ist mehr als nur bedenklich. Was alles muss noch bekannt werden, um endlich das Kind beim Namen zu nennen? Der vermeintliche Freund ist zum Gegner geworden, aber gewisse Kreise bestimmen den Lauf der Dinge, der Subordinationsverhältnisse, der Geldflüsse, der Geschäfte. Es sind nationale, chauvinistische Geschäfte, die die Mehrheit der europäischen Regierungen zur Kooperation motivieren. Unterstützt von Deutschland akzeptieren die wichtigen Staaten Europas eine US-Vollzugspolitik, nehmen die Gängelungen hin, die Schwächung des Euro, die US-Wirtschaftsspionage, die nationalen Spannungen.
Nur, weil sie sich eine eigene Armee ersparen und das Mitmachen bei Kriegen (Human-Interventionen) "billiger" kommt unter US-Führung und Ausstattung? Wegen der "Sicherheitsgarantien" durch die USA und die Nato?
Souveräne Staaten würden anders reagieren. Sie würden so einer Macht die Freundschaft aufkündigen; die Nato auflösen und ein europäisches Äquivalent schaffen; die Finanzpolitik selbst bestimmen, auch mit Strafzöllen gegen US-Produkte und Dienstleistungen als Antwort auf unsaubere Methoden.
Aber die Amerikaner haben nicht nur die Deutschen in der Hand. Sie sind, was die UdSSR damals für ihre abhängigen Satelliten war. Wir sind weder emanzipiert noch frei. Wir leben eine Lebenslüge. Die viel beschworene Freundschaft mit den USA wird uns noch viel kosten, nicht nur finanziell. Solange Europa so schwach, so uneinheitlich, so kurzsichtig geschäftstüchtig ist, wird es ein Büttel sein: ausgespäht, kontrolliert, manipuliert, ausgenommen. Das Schlimme ist, dass die Europäer dabei mitmachen.
Russland und die USA sind sich ähnlicher, als Europa erkennen will. Washington wie Moskau diktieren; sie behandeln sogar ihre Verbündeten wie Gegner; sie bauen auf ihre Waffentechnik, ihre Hochrüstung, ihr Militär; und auf ihre Geheimdienste, ihre Kontrolle, ihre weltweiten Obstruktionen. Beide gewinnen umso stärker, als es keinen wirklichen Widerstand gibt. Im Kalten Krieg bestimmten die damaligen Kräfteverhältnisse Europas Abhängigkeit vom Großen Bruder etwas anders. Es gab einen gemeinsamen Gegner, der die Verbündeten nötiger, wichtiger machte. Seit die USA sich als alleinige Supermacht gebärden dürfen, hat sich das geändert. Jetzt zeigt sich deutlicher, was die Leitmacht ist: nicht länger der Freund.
Ideologie und ein spezifisches ahistorisches Verständnis von Geschichte speisen vielerorts ein schon seltsames Dankbarkeitsverhalten - nicht nur früherer Feinde, die meinen, zu Freunden geworden zu sein. Doch die USA akzeptieren nur ihre Pax Americana. Aber was gut für Amerika ist, ist mitunter schlecht für die anderen, für uns. Wann wacht Europa auf?