Vassilakou-Rücktritt, nachdem ihre Partei Verluste eingefahren hat, ist kein Thema mehr, dafür gibt es interne Kritik an Wahlkampf und Inhalten.
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Wien. Einen Verlust kann man so oder so auslegen. Derzeit haben die Wiener Grünen im Vergleich zum Wahlergebnis 2010 sogar ein Plus von 1086 Stimmen. Sie haben von der höheren Wahlbeteiligung profitiert. Hatte die Partei vor fünf Jahren 95.445 Stimmen, so haben sie nach vorläufigem Ergebnis 96.531. Laut Sora-Institut sind nur noch geringe Schwankungen möglich.
Für die Wiener-Grünen-Chefin Maria Vassilakou könnte dies das Argument sein, um ihrem angekündigten Rücktritt bei Verlusten den Wind aus den Segeln zu nehmen. Doch bleibt unterm Strich das Grünen Ergebnis von minus 1,46 Prozentpunkten auf 11,18 Prozent und zwei Mandaten weniger - und damit ist wiedermal - wie bei den grünen Verlusten 2010 - Manöverkritik angesagt.
Schon bei ihrer Wahlparty am Sonntagabend im Volksgarten wurden die Köpfe zusammengesteckt. Während die einen zum Lied "Happy" tanzten, zeigten andere Sorgenfalten. Intern scheinen sich jedoch alle einig zu sein: Die Partei hält an Vassilakou fest. Diese Personalie sei nicht nur derzeit, sondern überhaupt kein Thema, sagt Klubchef David Ellensohn. "Mary wird uns in diese Koalitionsverhandlungen führen."
Anders sieht es bei der Beurteilung des Wahlkampfes und der Inhalte aus. An erster Stelle der Verlust-Ursache stehen die taktischen Wähler. Die SPÖ hätte viele grüne "Leihstimmen" bekommen, sagen die Grünen. Tatsächlich haben 16.000 Grün-Wähler dieses Mal ihre Stimme der SPÖ gegeben. Allerdings haben auch 7000 SPÖ-Wähler dieses Mal die Grünen gewählt. Weitere Verluste erlitten die Grünen mit 11.000 an die Neos. Weitere 7000 ehemalige Grün-Wähler sind nicht zur Wahl gegangen und 2000 Stimmen gingen an die ÖVP.
Für die langjährige Grünen-Abgeordnete Terezija Stoisits war das "Schein-Duell" zwischen SPÖ und FPÖ aber nur ein Grund, warum die Grünen Verluste hinnehmen mussten. Die Wiener Grünen hätten es in diesem Wahlkampf verabsäumt, auf ihr ureigenstes Thema zu setzen: Asyl. "Nämlich zu sagen, dass man anständig bleiben muss", sagt sie zur "Wiener Zeitung". Im Wahlkampf hatte eher die SPÖ beim Flüchtlingsthema das Sagen.
Partei-Umbau gefordert
Auch der bisherige Gemeinderat Klaus Werner-Lobo findet, dass die Grünen einer "postdemokratischen Beliebigkeit" zum Opfer gefallen sind. Die wichtigsten Themen wie Menschenrechte würden in den Hintergrund gedrängt, sagt er zur "Wiener Zeitung". Stattdessen würde Politik mit Marketing verwechselt. Wahlkampf-Ansagen wie "Öffi für alles" würden kaum weniger Privilegierte ansprechen.
Nationalratsabgeordneter Peter Pilz fordert sogar einen Umbau der Ökopartei. Sie soll nach der Wien-Wahl zu einer linkspopulistischen Alternative für Protestwähler werden: "Wir stehen unabhängig vom Wiener Wahlergebnis vor einer historischen Entscheidung: Bleiben wir ein Anhängsel von Rot und Schwarz? Oder bilden wir einen linkspopulistischen Gegenpol zu den Nationalisten?", sagt er im "Profil". "Wenn uns die kleinen Leute im politischen Erdgeschoß für die Dachbodenpartei halten, werden sie uns nicht wählen", so Pilz.
Für die Wiener Grünen wird es jedenfalls keine "g’mahte Wiesn" werden. Immerhin geht sich auch eine rot-schwarze Koalition aus. Sie werden sich nun gut überlegen, wie sie in die Verhandlungen gehen werden. Der SPÖ werden sie wohl das Ziel Wien als erste Modellregion für die gemeinsame Schule der Zehn- bis 14-Jährigen anbieten, aber auch das Thema leistbare Wohnungen.
Haben die Grünen auf Bezirksebene auf mindestens vier Bezirksvorsteher gehofft, wurden sie auch hier enttäuscht. Neubau-Bezirksvorsteher Thomas Blimlinger bekommt nur einen weiteren grünen Kollegen auf dieser Ebene: Das Ergebnis in Währing ist allerdings knapp. Die Grünen liegen bei 28,07 Prozent, die ÖVP bei 27,26. Auf den vierten Bezirk hatten die Grünen zwar gehofft, soch dort hat Rot dazugewonnen und Grün verloren. Vielleicht doch ein bisschen zu sehr "Happiness", die die Wiener nicht goutiert haben?