Die Anschläge von London waren nach Einschätzung der britischen Polizei womöglich doch keine Selbstmordattentate. "Wir haben keine eindeutigen Beweise, dass die Männer Selbstmordattentäter waren", zitierte der "Sunday Telegraph" einen Sprecher von Scotland Yard. "Es ist möglich, dass sie nicht die Absicht hatten, zu sterben."
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Eine Hypothese der Sicherheitsbehörden ist dem Blatt zufolge, dass die vier Männer schlicht nicht wussten, dass die Bomben explodieren würden, während sie sie transportieren. Die Hintermänner wollten womöglich "nicht riskieren, dass die vier Männer gefasst werden und alles verraten", zitierte das Blatt Geheimdienstkreise.
Diese Hypothese werde gestützt von der Tatsache, dass die Attentäter die Parkscheine für ihr Auto bezahlten und vor den Anschlägen die Rückfahrscheine für die Bahn gelöst hatten. Entgegen der Praxis von Selbstmordattentätern im Nahen Osten hätten sie die Sprengsätze auch nicht am Körper getragen und kurz vor dem Zünden der Bomben nicht auf Arabisch "Allahu Akbar" ("Allah ist der Größte") gerufen. Auch die Tatsache, dass sie Ausweispapiere und Kreditkarten bei sich trugen, sei nicht typisch für Selbstmordattentäter.
"Sie könnten gedacht haben, dass sie noch über mehr Zeit verfügen und ausgetrickst worden sein", zitierte das Blatt weiter. Trotzdem spreche für die These von Selbstmordattentaten die Tatsache, dass bei den Attentätern keine Zeitzünder gefunden wurden. Scotland-Yard-Chef Ian Blair hatte die Anschläge am vergangenen Donnerstag als Selbstmordattentate bezeichnet.
Der Onkel eines der Attentäter von London hat übrigens Verständnis für die Tat seines Neffen und dessen Komplizen geäußert. "Sie sind verzweifelte Menschen", zitierte die britischen Boulevardzeitung "The News of the World" vom Sonntag Bashir Ahmed, den Onkel von Shahzad Tanweer. "Ihnen werden ihre Rechte verwehrt. Sie können sehen, dass ihren Brüdern ihre Rechte verwehrt werden." Deshalb griffen sie zu extremen Aktionen. "Dieser Junge hat sich einen Namen gemacht in der Welt. Moslems nennen es Opfer, Europäer nennen ihn einen Terroristen."
Die Angehörigen der drei anderen Attentäter von London hatten hingegen in Erklärungen die Anschläge verurteilt und ihr Mitgefühl mit den Hinterbliebenen der Opfer zum Ausdruck gebracht. Bei den vier parallelen Attentaten in der britischen Hauptstadt am 7. Juli kamen mindestens 55 Menschen ums Leben.