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Warnschuss an die Etablierten

Von Martina Pock

Politik

Schwierige Mehrheitsfindung im Stadtparlament.


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Graz.

Die Grazer Gemeinderatswahl brachte für fast alle Parteien eine böse Überraschung. Nur in der Lagergasse 98 war am Sonntagabend die Freude fast grenzenlos. Hier feierten die Kommunisten ihren Sensationserfolg in der steirischen Landeshauptstadt. 20 Prozent Wähleranteil, ein Plus von fast neun Prozent und Platz zwei hinter der arg zurückgestutzten ÖVP von Bürgermeister Siegfried Nagl kann sich die Partei von Stadträtin Elke Kahr auf die Fahnen heften. Kaum jemand auf der Wahlparty der KPÖ hatte mit diesem Ergebnis gerechnet. Umfragen, die ein solches Ergebnis für die Kommunisten vermuten ließen, wurden vor der Wahl noch als Gräuelpropaganda der ÖVP abgetan. Und jetzt hat Kahr sogar bei den Vorzugsstimmen den amtierenden Bürgermeister geschlagen, und zwar mit 2439 zu 1973 Stimmen.

Politisch spannende Zeiten in Graz

Das Wahlergebnis stellt die Stadt vor politisch spannende Zeiten. Als einzige rechnerisch mögliche, allerdings politisch ausgeschlossene Zweierkoalition verbleibt eine Zusammenarbeit zwischen ÖVP und KPÖ; sämtliche anderen Kombinationen sind auf die Mitarbeit einer dritten Partei angewiesen. Viel spricht deshalb dafür, dass künftig ein freies Spiel der Kräfte im Grazer Gemeinderat walten wird, strukturiert durch Arbeitsabkommen in einzelnen Themenbereichen. Dies kann in Zukunft zu spannenden Konfrontationen im Gemeinderat führen. ÖVP und FPÖ halten zusammen 24 Mandate, KPÖ, SPÖ und Grüne gemeinsam 23.

Angesichts der knappen Mehrheitsverhältnisse kommt womöglich den Piraten die Rolle eines Züngleins an der Waage zu; die neue Partei ist künftig mit einem Mandat im Stadtparlament vertreten. Im siebenköpfigen Stadtsenat ist die Mehrheitsfindung einfacher, hier verfügen ÖVP (3) und SPÖ (1) über eine Mehrheit.

Eine Neuwahl jedoch, über die als letzter Ausweg auf einer Suche nach einer stabilen Regierungsmehrheit am Wahlabend durchaus auch spekuliert wurde, dürfte vorerst jedoch ausgeschlossen sein. Das jedenfalls hat Nagl noch am Sonntag klargestellt.

Elke Kahr in Kalteneggers Fußstapfen

Kahr und die KPÖ haben offensichtlich mit ihrem Slogan "Helfen statt reden" die Stimmung der Wähler, von denen allerdings jeder zweite zuhause blieb (Wahlbeteiligung sank um 5 auf 52 Prozent) getroffen. Die 51-jährige ehemalige Bankangestellte und Lebensgefährtin des ehemaligen steirischen KPÖ-Vorsitzenden Franz Parteder hat die Partei 2005 von Ernest Kaltenegger übernommen. Viele bezweifelten damals, dass die Neue an den Erfolg ihres Vorgängers anschließen könnte; jetzt steht fest: Sie konnte. Ihren Kernthemen Wohnen und Bekämpfung von Korruption ist die KPÖ über die Jahre treu geblieben. So finanziert die Partei mit Teilen ihrer Politikergehälter seit Jahren Zahnspangen oder Heizkosten für Bedürftige. Überraschend war bei dieser Wahl vor allem, dass viele Selbständige ihr Kreuz bei den Kommunisten gemacht haben. Eine Wählergruppe, die traditionell zur ÖVP tendiert. Ob Elke Kahr auch Vizebürgermeisterin werden wird, bleibt vorerst offen. Bisher hat einzig die FPÖ der 51-Jährigen ihre Stimmen zugesichert.

Bürgermeister Nagl startete dagegen mit 38 Prozent in den Wahlkampf, in dem er die Absolute erobern wollte. Die Wähler haben ihn stattdessen auf nur mehr 33 Prozent taxiert. Bitter endete die Wahl auch für die krisengeplagten Sozialdemokraten in Graz, die hier einst über die absolute Mehrheit verfügten. Mit nur mehr knapp über 15 Prozent rutschte die Landeshauptmann-Partei in der Hauptstadt auf ein Allzeittief. Zu den Verlierern zählen auch die Grünen, die hinter die FPÖ auf Platz fünf abrutschten. Die Freiheitlichen konnten leicht zulegen, das BZÖ flog aus dem Gemeinderat.

Weder bei ÖVP noch SPÖ oder Grünen wird die Wahl zu personellen Konsequenzen führen. Laut Grünen-Chefin Lisa Rücker sei die Ausgangslage bei dieser Wahl schwierig gewesen, durch die Koalition mit der ÖVP habe man sich "nicht nur Freunde gemacht". Auch SPÖ-Chefin Martina Schröck will an Bord bleiben, einen Nachfolger zu finden, würde sich wohl auch in dieser Situation als nicht leicht erweisen. Stattdessen gibt sie nun als SPÖ-Parole aus, 2017 wieder zur Nummer eins werden zu wollen.

Bundespolitisch lässt das Grazer Wahlergebnis nichts Gutes für die etablierten Regierungsparteien im kommenden Wahljahr erwarten, in dem neben Landtagswahlen in Tirol und Niederösterreich auch Nationalratswahlen anstehen. Einzig die FPÖ konnte einen, wenngleich geringen Zuwachs verzeichnen.