Europas Sozialdemokraten drohen vor dem Beginn der slowakischen EU-Ratspräsidentschaft dem Premier und seiner Smer-Partei wegen umstrittener Islam-Äußerungen mit dem Fraktionsausschluss.
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Bratislava/Brüssel. Zwei Wochen vor der erstmaligen Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft durch die Slowakei hagelt es aus Brüssel Kritik an Regierungschef Robert Fico. Die Spitze der Sozialdemokratischen Partei Europas (SPE) drohte ihm und seiner Partei Smer-SD gar mit dem Ausschluss, falls es keine Kurskorrektur gebe. Man sei über Ficos Aussagen zu Flüchtlingen, sexuellen Minderheiten sowie der Rolle des Islams ernsthaft beunruhigt und verurteile diese. "Der Islam hat keinen Platz in der Slowakei", hatte Fico jüngst etwa gemeint.
Einen heftigeren Dämpfer, noch dazu aus den Reihen ihm an sich Wohlgesonnener, kann es für den Linkspopulisten Fico kaum geben - zumal da die Partei Most-Hid zu seinen drei Koalitionspartnern zählt, die sich für die Rechte ethnischer wie religiöser Minderheiten stark macht. Denn der Ministerpräsident schraubt die Erwartungen für die kommenden sechs Monate hoch. Er will sich als besonders zuverlässiger Partner in Europa präsentieren, darüber die Wirtschaftsbeziehungen zu den großen EU-Mitgliedern wie Deutschland auffrischen und so der Slowakei weiter die besten Wachstumsraten in der EU sichern. Zu den Prioritäten der slowakischen EU-Ratspräsidentschaft gehört aber eben auch eine gemeinsame europäische Migrationspolitik, die unter Ficos Federführung zum Scheitern verurteilt scheint.
Seit den Parlamentswahlen am 5.März, bei denen der Sozialdemokrat seinen vierten Wahlsieg in Folge einfuhr, ist es ruhiger um Fico geworden, unter anderem wegen einer komplizierten Herzoperation, der er sich im April unterziehen musste und dabei auch von syrischen Medizinern behandelt wurde. Im Vorfeld der Wahlen, und hieran entzündet sich im Wesentlichen die Kritik der SPE, ritt der Ministerpräsident jedoch über Monate hinweg heftigste Verbalattacken gegen die Muslime in der Slowakei und zeigte sich bei den Verhandlungen über eine europäische Lösung der Flüchtlingskrise alles andere als kooperativ.
Zweimal erlangte der Regierungschef auf internationaler Ebene besondere Aufmerksamkeit. Die Slowakei hat beim Europäischen Gerichtshof gegen die Quoten geklagt, die von den EU-Innenministern mehrheitlich zur Verteilung der Flüchtlinge innerhalb der Union beschlossen wurden. Dabei wird sie inzwischen von Ungarn unterstützt. Er sei nicht etwa gegen eine gemeinsame europäische Vorgehensweise zur Bewältigung des anhaltende Flüchtlingsstroms, so Fico zur Begründung. In einer so grundlegenden, die nationale Souveränität berührenden Frage könne aber nur einheitlich auf höchster Ebene entschieden werden.
Einen Sturm der Entrüstung löste Fico aus, als er zu Jahresbeginn in Reaktion auf die Ereignisse der Silvesternacht vor dem Kölner Hauptbahnhof verkündete, er werde jeden Moslem in der Slowakei beobachten und es nicht zulassen, dass Muslime zur Bildung illegaler Kommunitäten in die Slowakei einreisten. Fast schon zum Nebenschauplatz verkam es, als er im Jänner erklärte, die Slowakei werde keinerlei Gelder in humanitäre Fonds zur Lösung der Flüchtlingskrise einzahlen, sondern nur für die Sicherung der Schengen-Grenzen aufkommen.
Die Rüge der SPE ist umso bemerkenswerter, als Fico nach vier hintereinander gewonnenen Wahlen an sich eine sichere Bank für die vielerorts um Machterhalt ringende europäische Sozialdemokratie ist und deshalb gewissermaßen unangreifbar sein könnte. Doch ist die seit ihrer Gründung im Jahre 1999 von ihm geführte Smer-SD erst seit 2009 wieder vollwertiges Mitglied der SPE. Drei Jahre zuvor hatte die SPE die Mitgliedschaft der Smer-SD suspendiert, weil Fico zur Bildung der ersten von ihm geführten Regierung die ultrarechte Slowakische Nationalpartei mit ins Boot geholt hatte.
Allerdings verbleibt Fico eine letzte Schonzeit vor Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft. Das Kabinett verabschiedet erst in den letzten Juni-Tagen das konkrete Arbeitsprogramm für das kommende Halbjahr. Hier könnte Fico ein gewisses erstes Einlenken signalisieren. Die Regierung kann beispielsweise die Unstimmigkeiten bei der Bewältigung des Flüchtlingsstroms entschärfen, indem sie sich wie Tschechien auf einheitliche Regelungen für Arbeitsmigranten zurückzieht.