In einem Jahr geht es für Niederösterreichs ÖVP um das Halten der Absoluten. Gefahr wegen Impfskeptiker droht.
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Selten hat eine Gemeinderatswahl in einer Kommune mit knapp 10.000 Wahlberechtigten soviel Augenmerk erhalten wie jene in Waidhofen an der Ybbs. In der Statutarstadt im niederösterreichischen Mostviertel stürzte die ÖVP am Sonntag von einer satten absoluten Mehrheit um fast 19 Prozentpunkte auf nur noch 41,3 Prozent der Stimmen ab. Gleichzeitig heimste die MFG, die Liste der Impfskeptiker und Kritiker der Corona-Beschränkungen, auf Anhieb 17 Prozent der Stimmen ein und ist nun hinter ÖVP und SPÖ drittstärkste Kraft in Waidhofen an der Ybbs.
In der Landesparteizentrale der niederösterreichischen ÖVP in St. Pölten wurde diese Lokalwahl ebenfalls mit besonderem Interesse verfolgt. In einem Jahr, im Jänner 2023, ist der turnusmäßige Termin für die nächste Landtagswahl. Bei dieser muss Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner als ÖVP-Spitzenkandidatin eine hauchdünne absolute Mehrheit verteidigen. Entsprechend laut schrillen seit dem Sonntag die Alarmglocken in der in der Bundespartei besonders einflussreichen ÖVP-Landesorganisation.
Noch dazu wittern die Sozialdemokraten mit Vizelandeshauptmann und SPÖ-Landeschef Franz Schnabl nach der Gemeinderatswahl am Sonntag in Waidhofen an der Ybbs Morgenluft. Als einzige der etablierten Parteien konnte die SPÖ in der niederösterreichischen Kleinstadt mit plus 5,2 Prozentpunkten und nunmehr 21,7 Prozent einen deutlichen Zuwachs verbuchen. Allerdings sind die Sozialdemokraten damit weiter nur ungefähr halb so stark wie die Volkspartei in Waidhofen an der Ybbs.
Erste "Corona- und Impfpflicht-Wahl"
Niederösterreichs ÖVP-Landesgeschäftsführer Bernhard Ebner sah den Grund für den Absturz bei der Gemeinderatswahl nicht in fehlenden ÖVP-Themen in der Statutarstadt, sondern in der wenige Tage davor im Nationalrat beschlossenen Corona-Impfpflicht. Es sei die erste "Corona- und Impfpflicht-Wahl" in ganz Österreich gewesen, befand er als Sprachrohr von ÖVP-Landeschefin Mikl-Leitner. Themen für die Zukunft der Statutarstadt, immerhin auch die Heimatgemeinde von Nationalratspräsident und Ex-Bürgermeister Wolfgang Sobotka (ÖVP) seien dadurch überlagert worden.
Ganz so stimmt das allerdings nicht. Es war zwar die erste Wahl nach dem Beschluss der Impfpflicht, aber das Thema Corona und die Einschränkungen von Bundes- und Landesregierung zur Eindämmung der Pandemie waren schon vor der oberösterreichischen Landtagswahl am 26. September des Vorjahres in Oberösterreich die alles übertönende Begleitmusik im Wahlkampf. Nur der brutale Absturz der FPÖ um fast zehn Prozentpunkte verhalf der Partei von ÖVP-Landeschef Thomas Stelzer damals zu einem mageren Zuwachs. Gleichzeitig schaffte aber die MFG neben den Neos erstmals den Sprung in den Landtag.
Die Impfkritiker-Partei hat nach der Wahl in Waidhofen an der Ybbs bekräftigt, man wolle auch Fuß fassen auf Landes- und Bundesebene. Schon in Oberösterreich hat sich die ÖVP mit dem Umgang mit Gegnern der Corona-Maßnahmen schwer getan. Mikl-Leitner steht im Wahlkampf diese Herausforderung noch bevor.
Angesichts des Erfolgs der MFG erhalten Spekulationen in St. Pölten neue Nahrung, dass die ÖVP die Landtagswahl vom Jänner kommenden Jahres auf den Herbst dieses Jahres vorverlegen könnte. Offiziell hat das erst am vergangenen Donnerstag der ÖVP-Klubobmann im Landtag, Klaus Schneeberger, vehement in Abrede gestellt. Als Hintergrund für diese Überlegungen gilt, dass das Coronathema und etwaige Einschränkungen auch im nächsten Winter eher Thema sein werden als noch im Frühherbst, wenn sich eine mögliche neue Coronawelle erst aufbaut. Auch Einschränkungen durch Coronavorschriften seien im Landtagswahlkampf im Spätsommer und Frühherbst weniger als nach Weihnachten im Winter zu erwarten.
Neues Wahlrecht ab Juni nährt Spekulationen
Angeheizt wurden die Spekulationen um vorverlegte Landtagswahlen in Niederösterreich in der Vorwoche durch das von ÖVP und SPÖ am Rande der Landtagssitzung gemeinsam angekündigte Vorhaben, dass Personen ohne Hauptwohnsitz in Niederösterreich das Wahlrecht bei Landtags- und Gemeinderatswahlen entzogen wird. Auffällig daran ist, dass die entsprechende Gesetzesänderung bereits im Juni dieses Jahres in Kraft treten wird - und nicht etwa im Juli oder gar erst mit Beginn des Jahres 2023.
Die Umsetzung ab Juni lässt den Gemeinden noch vor der Sommerpause Zeit, sich auf die Änderung vorzubereiten, und würde es erlauben, dass schon heuer im Herbst schätzungsweise rund 90.000 Personen großteils aus Wien, die nur einen Nebenwohnsitz in Niederösterreich haben, nicht über den neuen Landtag mitentscheiden dürfen.
Einiges hängt an Bundespräsidentenwahl
Im Zusammenhang mit einer etwaigen früheren Landtagswahl in Niederösterreich spielt, wie zu hören ist, auch eine Rolle, an welchem Termin heuer die Bundespräsidentenwahl stattfindet. Noch hat der amtierende Bundespräsident Alexander Van der Bellen nicht einmal öffentlich erklärt, ob er sich einer Wiederwahl stellen wird. Namhafte ÖVP-Politiker haben sich im Falle seiner erneuten Kandidatur für eine Unterstützung ausgesprochen, weil sich ein eigener Bewerber für die Hofburg gegen einen Amtsinhaber kaum Chancen ausrechnen darf. Sollte Van der Bellen abwinken, müsste die ÖVP zunächst über eine eigene Kandidatur entscheiden, die ÖVP-Funktionäre wären dann auch im Präsidentschaftswahlkampf gefordert.
SPÖ-Chef Schnabl will ÖVP-Absolute brechen
Die ÖVP mit Landeshauptfrau Mikl-Leitner, die im Landtag mit knapp 50 Prozent der Stimmen 29 Mandate und damit die absolute Mehrheit bei insgesamt 56 Mandataren hält, hat seit Beginn dieses Jahres die Schlagzahl mit Vorausblick auf die nächste Landtagswahl bereits erhöht. Zuletzt wurden unter anderem ein Pflegepaket und Maßnahmen für den Arbeitsmarkt in die Wege geleitet. SPÖ-Landeschef Schnabl, der mit seiner Partei bei der Landtagswahl 2018 auf knapp 24 Prozent zulegen konnte, ist bereits im Wahlkampfmodus. Die "Machtpolitik der ÖVP hat einen deutlichen Denkzettel erhalten", kommentierte er das Ergebnis aus Waidhofen an der Ybbs. Sein erklärtes Ziel ist das Brechen der absoluten Mehrheit der ÖVP bei der nächsten Landtagswahl.
Gemeinderatswahlen in Tirol und im Burgenland
Freiheitliche und Grüne sind bei der Gemeinderatswahl mit jeweils leichten Verlusten noch mit einem blauen Auge davongekommen. Die Neos wiederum sind erst 2018 erstmals in den niederösterreichischen Landtag eingezogen.
An sich ist der Wahlkalender für 2022 recht übersichtlich. Abseits der Bundespräsidentenwahl stehen Ende Februar nur Gemeinderatswahlen in Tirol - mit Ausnahme von Innsbruck - und am 2. Oktober im Burgenland auf dem Terminkalender. Angesichts des wachsenden Zustroms zu den Impfskeptikern werden diese Wahlen aber nicht weniger spannend.