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Warnsignal an die Briten

Von WZ-Korrespondentin Martyna Czarnowska

Politik
Jonathan Hill (re.) muss sich einem zweiten Hearing durch das Parlament stellen.
© European Union 2014/European Parliament

Kommissarskandidat Jonathan Hill muss sich weiterer Prüfung im EU-Parlament stellen.


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Brüssel. Eine halbe Stunde vorher winkt der Saalwärter ab. Kein Platz mehr, der Raum ist voll. Schon dreißig Minuten vor Beginn der Anhörung im EU-Parlament wird Zaungästen der Eintritt verwehrt; zwei, drei Plätze für Journalisten finden sich dann doch. Die Befragung des britischen Kommissarskandidaten durch den zuständigen Fachausschuss stößt auf reges Interesse. Denn Jonathan Hill gehört zu den umstrittensten Bewerbern für das Kabinett rund um den künftigen Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker. Und er bleibt es auch nach seiner Anhörung: Der zuständige Ausschuss hat seine Nominierung nicht bestätigt. Eine zweite Prüfung - wohl Anfang kommender Woche - soll folgen.

Stimmen des Unmuts wurden bereits im Vorfeld laut, als Juncker ankündigte, ausgerechnet einen Briten mit den Bereichen Finanzstabilität, Finanzdienstleistungen und Kapitalmarktunion zu betrauen. Doch äußerte der Luxemburger die Hoffnung, dass Hill seinen skeptischen Landsleuten die Vorteile einer verstärkten Kooperation näherbringen könnte - immerhin in ihrer gemeinsamen Sprache, jener Shakespeares. Allerdings wählte der Ex-Minister für seine ersten Sätze bei seinem Auftritt im Abgeordnetenhaus die Sprache Molieres. Sein kurz darauf folgendes Bekenntnis zur EU legte er jedoch nicht auf Französisch sondern auf Englisch ab. "Ich möchte, dass Großbritannien Teil einer erfolgreichen Europäischen Union ist", sagte Hill und betonte, für das gemeinsame europäische Interesse arbeiten zu wollen. Dies stehe keineswegs im Gegensatz zu seiner Loyalität zur Königin, antwortete er auf eine provokative Frage eines britischen Mandatars - und erntete dafür Applaus.

Ernster nehmen musste der Konservative da schon Bedenken, dass sein neues Amt ihn in einen Interessenskonflikt stürzen könnte. Einige Nichtregierungsorganisationen - aber auch die Grünen im EU-Parlament - kritisieren, dass der Unternehmensgründer während seiner Karriere mehrfach zwischen politischer und Lobbying-Tätigkeit gewechselt hat. Doch sei er in keinem Vorstand mehr vertreten, und er habe auch alle Firmenanteile verkauft. Er wies ebenso den Vorwurf zurück, ein Vertreter der Finanzkreise der Londoner City zu sein.

Dass Hill die Abgeordneten nicht völlig überzeugen konnte, hatte jedoch eher mit inhaltlichen Gründen zu tun. Auf die Frage nach Eurobonds räumte er ein, "noch keine besondere Meinung" zu haben. Zur möglichen Besteuerung von Finanztransaktionen befragt, verwies er lediglich auf die Initiative mehrerer Länder, die mit der Maßnahme voranschreiten wollten. Wie mit dem Ergebnis der Bankenstresstests umzugehen sei, könne er nicht vorwegnehmen.

Mit stiller Duldung Junckers?

Keine Details nannte Hill ebenfalls zu seinen Vorstellungen über die Vertiefung der Kapitalmarktunion, die für ihn immerhin ein Weg ist, die Interessen der Mitglieder der Eurozone mit jenen der Nicht-Mitglieder zu vereinbaren. Doch müsste dieses Konstrukt alle 28 Staaten umfassen. Langfristige Finanzierungsmaßnahmen - mit Hilfe eines von Juncker angekündigten Investitionsplans im Umfang von 300 Milliarden Euro - bezeichnete Hill dabei als eine Priorität.

Die vorläufige Nicht-Zustimmung der Parlamentarier kann jedenfalls auch als Warnsignal an das EU-skeptische Großbritannien gewertet werden. Laut Spekulationen kann dies durchaus mit stiller Duldung Junckers erfolgt sein, dem nicht daran gelegen ist, dass ein Mitglied seiner Behörde EU-Interessen unterminiert. Dazu passt, dass dem künftigen Finanzkommissar schon vor Wochen die Aufsicht über - die in der Londoner City vehement verteidigten - Bonuszahlungen für Banker entzogen wurde. Die Zuständigkeit dafür wandert ins Justizressort.

Umstrittene Bewerber

Nach Hill stellten sich zwei weitere umstrittene Kandidaten den Fragen der Abgeordneten. Der Ungar Tibor Navracsics der in der Regierung von Premier Viktor Orban für einige in der EU heftig kritisierte Gesetze mitverantwortlich war, soll sich in der Kommission um den Bereich Bildung, Kultur und Jugend kümmern. Der Spanier Miguel Arias Canete wiederum soll für Klimaschutz und Energie zuständig sein. Wie Hill sah er sich dem Vorwurf ausgesetzt, in einen Interessenskonflikt zu geraten. Der Ex-Landwirtschaftsminister besaß nämlich noch vor einigen Wochen Anteile an Ölunternehmen und hatte familiäre Verbindungen zu den Firmen. Doch habe er seine Aktien verkauft und sei sein Sohn von seinem Vorstandsposten zurückgetreten, versicherte Canete.

Der langjährige Mandatar der Europäischen Volkspartei sprach sich bei seiner Anhörung für die Schaffung einer Energieunion aus. Der Binnenmarkt müsse gestärkt, die Länder müssten stärker miteinander vernetzt werden. Gleichzeitig stellte Canete klar: "Wir brauchen den Übergang zu einer CO2-armen Wirtschaft." Er unterstützt die Pläne zu den Klimaschutz-Zielen, die etwa eine Reduktion der Treibhausgase um 40 Prozent bis 2030 vorsehen.

Eine Priorität sei jedenfalls die Sicherheit der Energieversorgung. Dafür müssten die Europäer ihre Quellen diversifizieren. Ob die Staaten aber dazu auch Atomkraft oder Schiefergas nutzen, sei ihre Angelegenheit.

Umgekehrt ging der Ungar Navracsics etwas auf Distanz zu nationaler Politik. Auch er unterstrich, dem europäischen Interesse dienen zu wollen. Und sollte sein Land antieuropäische Tendenzen im Bildungssystem zeigen, würde er dagegen vorgehen.

Unterdessen braucht sich Österreichs Vertreter um seine Bestellung kaum mehr Sorgen machen. Johannes Hahn erhielt die Bestätigung des Auswärtigen Ausschusses. In der künftigen Kommission soll er das Ressort Nachbarschaftspolitik und Erweiterungsverhandlungen leiten.