Die EU strengt sich an, vor den Gefahren des Rauchens zu warnen und verpflichtet die Tabakkonzerne, die abschreckenden Hinweise auf den Packungen zu vergrößern. Die Auswirkungen auf den Absatz sind zumindest beim fünftgrößten Zigarettenkonzern der Welt, der britischen Gallaher-Gruppe, Mutter der Austria Tabak, vernachlässigbar - kommentiert AT-Vorstand Stefan Fitz mit einem versonnenen kleinen Lächeln entsprechende Journalistenfragen bei der Vorlage der Halbjahresbilanz in Wien. Mild und light, solche Atttribute dürfen nicht mehr verwendet werden - also wird aus "Milde Sorte" jetzt "Meine Sorte", aus "Memphis Blue light" wird "Memphis sky blue". Umsatz und Gewinn stiegen deutlich.
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Die Austria Tabak (AT), seit der Privatisierung 2001 eine Tochter des britischen Tabakriesen Gallaher, erwartet sich durch die bevorstehende Neugestaltung der Gesundheitswarnungen auf den Zigarettenpackungen keine Änderungen im Verhalten der Raucher und daher auch keine Absatzrückgänge. "In einigen Märkten - wie Holland, Frankreich und England - gibt es bereits die neuen Warnhinweise auf den Packungen - und es hat sich nichts verändert", so Stefan Fitz, Tabakindustrie-Chef der kontinentaleuropäischen Division von Gallaher am Dienstag bei einer Pressekonferenz in Wien. Die neuen, noch plakativeren Warnhinweise würden auch langfristig keine Abschreckungswirkung erzielen, zeigt sich Austria Tabak - für das eigene Geschäft - zuversichtlich.
Ab 1. Oktober muss laut einer neuen EU-Richtlinie auf der Vorderseite der Packungen ein großer Warnhinweis ("Raucher sterben früher") angebracht sein, der etwa die Hälfte des zur Verfügung stehenden Platzes einnimmt. Auf der Rückseite sind - alternierend - 14 verschiedene weitere Hinweise auf die Gesundheitsschädlichkeit des Tabakgenusses obligatorisch.
Verboten werden von der EU künftig auch Produktbezeichnungen wie "light" oder "mild". Folge: Die Marke "Milde Sorte" muss in "Meine Sorte" umbenannt werden, "Memphis light" wurde bereit zu "Memphis Sky Blue". Dass Raucher wegen der Umbenennung ihren Lieblingszigaretten abschwören, glaubt man bei Austria Tabak nicht. Der Geschmack ändere sich auch trotz neuer EU-Vorgaben für niedrigeren Teer- und Nikotingehalt nicht, wird versichert. Umfragen hätten überdies ergeben, dass ein hoher Prozentsatz der Stammraucher bei ihren Lieblingszigaretten bleiben würden, hieß es.
Der neue AT-Generaldirektor Nigel Simon verteidigte bei der Pressekonferenz am Dienstag den 2001 getätigten Privatisierungsdeal mit der Republik Österreich. In der öffentlichen Diskussion darüber, ob der erzielte Verkaufspreis für den Verkäufer nicht zu schlecht gewesen sei, "werden Äpfel mit Birnen verglichen", meinte Nigel. Die Kritiker des Deals hätten ihre Kalkulationen auf einer falschen Zahlenbasis vorgenommen. Zum einen werde von einem zu niedrigen Kaufpreis ausgegangen, zum anderen rechne man erwirtschaftete Erträge dagegen, die Gallaher nicht nur in der AT, sondern in ganz Mitteleuropa erziele, sagte Simon: "Der faire Deal war ein Erfolg für Gallaher und ein Erfolg für die ÖIAG".
Immerhin habe Gallaher 2001 mit 85 Euro um über 130% mehr für die Aktie gezahlt als vier Jahre vorher beim Börsegang der AT verlangt wurde. Der Kaufpreis (inklusive übernommener Schulden) habe 2,1 Mrd. Euro betragen. Dem stehe ein Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITA) von zuletzt jährlich 220 Mill. Euro gegenüber. Das bezahlte "multiple" des Gewinns - eine Maßzahl dafür, wie teuer eine Neuerwerbung tatsächlich ist - liege bei etwas unter 10, was in der Tabakindustrie eine "übliche Größe" sei, sagte Simon.
Durch die Zusammenführung der Rechnungslegung der Austria Tabak mit der kontinentaleuropäischen Division von Gallaher, könnten keine genauen Gewinnzahlen für AT mehr veröffentlicht werden, Laut früheren Aussagen des Gallaher-Finanzvorstands Jon Moxon steuert AT gut ein Viertel des Vorsteuergewinns des Konzerns bei.
Wie berichtet, will Gallaher durch ein bis Ende 2005 laufendes Sparprogramm europaweit 430 Jobs kappen. Dass die Übernahme durch enen ausländischen Konzern nicht automatisch österreichische Standorte benachteiligt, soll die Tatsache unterstreichen, dass davon nur 85 auf Österreich entfallen, während etwa die Produktion im irischen Dublin eingestellt wird. Derzeit beschäftigt AT in der Alpenrepublik etwa 1.200 Mitarbeiter.
Gallaher hat ein erfolgreiches 1. Halbjahr 2003 auf dem europäischen Kontinent hinter sich. Trotz geringerem Absatz stieg der Umsatz (exklusive Steuern) um 13,5% auf 1,275 (1,124) Mrd. Pfund (1,81 Mrd. Euro), der Gewinn vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen (EBITA) betrug 123 Mill. Pfund. Während der österreichische Markt sich stabil präsentierte, gab es deutliche Zuwäche in Frankreich, Spanien und Italien. Die Vision des "eurasischen Konzerns" hält man aufrecht, Möglichkeiten für Beteiligungen, Übernahmen und joint ventures in ganz Osteuropa bis hin nach China "beobachten wir ständig auf unserem Radarschirm", so Simon.
Das Gesamt-EBITA des Konzerns betrug in den ersten sechs Monaten 305 Mill. Pfund, damit macht Gallaher um die 40% seines Gewinns in der Region Kontinentaleuropa, deren 35 Märkte von Wien aus gesteuert werden. Insgesamt hat Gallaher im 1. Halbjahr in Kontinentaleuropa rund 22 Mrd. Zigaretten abgesetzt.
Mehr Sorgen als über die Gesundheitswarnungen macht man sich in der Branche übrigens über die Preisdifferenzen bei Zigaretten zwischen Westeuropa und den ab Mai 2004 zur EU gehörenden neuen Nachbarn: Nach den Steuererhöhungen etwa in Deutschland kosten dort die Glimmstengel drei mal so veil wie bei den neu Beitretenden - "hohe Margen für den Schwarzmarkt". In Großbritannien etwa ist schon beinahe jeder dritte gerauchte "Tschik" nicht im Inland versteuert - "da sollten die Finanzminister langsam anfangen, nachzudenken".