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Warren Buffett hat recht

Von Markus Schuller

Gastkommentare
Markus Schuller istGründer einesBeratungsunternehmens für alternativeInvestments in Monaco.

Studien zeigen: Es gibt einen engen Konnex zwischen ungleicher Vermögensverteilung und Wirtschaftskrisen.


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In der europäischen Krisenaufarbeitung kommt ein Aspekt zu kurz: die ungleiche Verteilung von Vermögen. Könnte das Thema nicht einfach mit einem fairen Finanzierungsbeitrag zur Sanierung der Staatsfinanzen abgehandelt werden? Leider nein - das wäre zu kurz gegriffen.

In den USA sind die Vermögen so ungleich verteilt wie noch nie. Studien ergeben, dass ein Prozent der US-Amerikaner 50 Prozent des Vermögens halten - bedeutend mehr als zur Zeit der Großen Depression. Das hat nicht nur Einfluss auf demokratische Prozesse. Es gibt auch einen engen Konnex zur Krise. So unterstützt eine Reihe namhafter Ökonomen wie Robert Shiller, Joseph Stiglitz oder David Moss die These, dass große Ungleichheiten in der Vermögensverteilung Finanzkrisen wahrscheinlicher machen.

Studien des Internationalen Währungsfonds stellten eine starke Korrelation fest: Je höher die Ungleichheit, desto höher die Verschuldung von Volkswirtschaften, desto unbeständiger die Wachstumszyklen und desto geringer das Potenzialwachstum. Dass eine gleichmäßigere Vermögensverteilung und hohe Wettbewerbsfähigkeit kein Widerspruch sein müssen, demonstriert Schweden: In kaum einem anderen Land ist das Vermögen so gleichmäßig verteilt (Platz drei im "Gini-Index") und die Wettbewerbsfähigkeit so hoch (Platz drei im WEF-Ranking, Platz vier im IMD-Ranking).

Einige Autoren haben das Thema aufgegriffen - darunter Ex-IWF-Chefökonom Raghuram Rajan, Verlegerin Arianne Huffington oder Robert Reich, Unterstaatssekretär unter US-Präsident Bill Clinton. Richard Wilkinson und Kate Pickett ("The Spirit Level" - "Gleichheit ist Glück") zeigen, dass umso weniger Reichtum für das gleiche Maß an Lebensqualität nötig ist, je gleichmäßiger die Verteilungssituation ist. Die Autoren folgern, dass Ungleichheit chronischen Stress erzeugt.

Starinvestor und Multimilliardär Warren Buffett hat gefordert, Superreiche in den USA höher zu besteuern. US-Präsident Barack Obama stellte Mitte September in Wahlkampflaune die "Buffett-Regel" vor, wonach Einkommensbezieher von mehr als einer Million Dollar pro Jahr zumindest den Durchschnittssteuersatz der Mittelschicht bezahlen sollen. Das soll helfen, das Arbeitsmarktpaket zu finanzieren, das Defizit abzubauen und die Schulden bis 2021 zu verringern. Die Republikaner reagierten reflexartig mit Ablehnung - laut Bloomberg-Umfrage unterstützen jedoch zwei Drittel der Investoren die Forderung. Auch scheint das "Super-Committee", das die US-Sparpläne konkretisieren soll, auf die Ungleichverteilung Rücksicht zu nehmen. Alle geplanten Maßnahmen werden aber nur dafür sorgen, dass die Schere weniger rasch aufgeht. Von einer Lösung der destabilisierenden ökonomischen wie sozialen Wirkung sind die USA weit entfernt.

In Europa konzentriert sich die Politik auf die Rettung der Eurozone - und verpasst die große Chance, langfristige Steuerungsmechanismen zu definieren. Für robustere Volkswirtschaften, längere Wachstumszyklen und höheres Potenzialwachstum wäre aber eine Berücksichtigung des ungleichen Vermögens von großer Relevanz.