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Warten auf das Wirtschaftswunder

Von Thomas Seifert

Politik
Der weitere Ausbau der Infrastruktur ist einer der Schwerpunkte der indischen Wirtschaftspolitik.
© Ed Kashi/VII/Corbis

Die frisch gewählte indische Regierung von Narendra Modi stellt die Weichen in der Wirtschaftspolitik neu.


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Delhi/Wien. Die Börse in Bombay jubiliert: Seit dem Wahlsieg von Ministerpräsident Narendra Modi und seiner Partei Bharatiya Janata Party (BJP) von 7. April bis 12. Mai geht es mit den Sensex-Kursen stetig bergauf. Um ein Fünftel ist der Aktienindex der indischen Börse seit Jahresanfang gestiegen, die schwächelnde Rupie hat sich gefestigt und das Konsumklima deutlich aufgehellt.

Heute, am 10. Juli, stellt Narendra Modis Finanzminister Arun Jaitley sein Budget vor. Und Jaitley hat bereits vor Journalisten angekündigt, dass die Inflation gedämpft und das Defizit in den nächsten beiden Jahren reduziert werden müssten.

Bis vor kurzem war von einem Budgetdefizit von 4,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ausgegangen worden. Die Nachrichtenagentur Reuters befragte eine Reihe von Ökonomen und diese sind durch die Bank pessimistischer eingestellt, was das Defizit betrifft: Sie erwarten 4,4 Prozent. Modi hatte eine Ankurbelung der Wirtschaft und die Schaffung von Arbeitsplätzen versprochen. Als Ministerpräsident des Bundesstaats Gujarat im Westen Indiens war er in dieser Beziehung durchaus erfolgreich. Nun sollen Subventionen bei Lebensmitteln und Dünger gesenkt und die Steuerbasis verbreitert werden, um das Budget zu sanieren. Die Voraussetzungen sind allerdings ungünstig, die indische Wirtschaft läuft auf Sparflamme: Zuletzt lag das Wachstum bei weniger als fünf Prozent jährlich. In den Jahren vor und nach der weltweiten Rezession 2009 hatte es noch Wachstumsraten von rund zehn Prozent gegeben. Für das Haushaltsjahr, das im März 2015 endet, sagt die Regierung in ihrem Bericht ein Plus zwischen 5,4 und 5,9 Prozent voraus.

Es fehlt die soziale Balance

Peter Scheuch, Gründer der Innovation Service Firma Ennovent, die in Technologien und Lösungen für das Konsumentensegment mit niedrigsten Einkommen investiert, beklagt das Bürokratie-Dickicht im Land. Ennovent hat in billige augenärztliche Angebote im Bundesstaat Assam im Nordosten des Landes investiert und arbeitet mit lokalen Partnern an Angeboten im Bildungsbereich. Leicht werde einem die Arbeit nicht immer gemacht: "In Indien eine Firma zu gründen und Arbeitsplätze zu schaffen, ist eine spannende Herausforderung", sagt er, es fehle an Rechtssicherheit.

Ennovent ist auch im Bereich Energie-Innovationen aktiv, vor allem im ländlichen Raum. "Indien hat in diesem Sektor zwar große Fortschritte gemacht, es wird auch immer mehr Energie produziert, aber das heißt nicht, dass auch die ländliche Bevölkerung davon profitieren kann. Zwar stehen in den Dörfern dann Strommasten mit Leitungen, aber darin fließt in ganzen Landstrichen kaum jemals Strom", sagt Scheuch. In Bombay, Delhi und Bangalore würden auch die Straßen besser und breiter werden, auf dem Land ändere sich aber zu wenig. "Hier ist eindeutig Handlungsbedarf", sagt Scheuch.

Scheuch warnt vor übertriebenen Hoffnungen auf die rasche Umsetzung von Reformen: "Selbst wenn es den politischen Willen und Engagement in Delhi gibt: Das System ist rigide und das Land ist riesig. Vom Ändern eines Gesetzes bis zur Änderung der Lebensumstände der einfachen Bürger ist es ein langer Weg."

Christoph Prinz, Gründer des India Investment Club mit Sitz in Wien und Business Angel, der in indische Start-ups investiert, hofft, dass die Regierung von Narendra Modi das Investitionsklima verbessern hilft. Prinz beklagt die steuerliche Intransparenz im Land und die Schwierigkeiten, die sich oftmals bei der Repatriierung von Vermögen ergeben. Diese Schwierigkeiten führen dazu, das Start-ups - sobald sie erfolgreich sind - unter Druck kommen, abzuwandern. Als aktuellstes Beispiel nennt Prinz die Firma Grey Orange Robotics, die nach einem Investment von Tiger Global Management ihren Firmensitz nach Singapur verlegt hat. "Singapur hat stringentere Rechtsvorschriften und klarere Regeln, sowie ein attraktiveres steuerliches Umfeld", sagt Prinz. Er ist optimistisch, dass die neue Regierung das Investitionsklima verbessern will.

Bürokratieabbau bitter nötig

"Also ich bin da ebenfalls zuversichtlich", meint Werner Wutscher, Ex-Kabinettschef des damaligen Landwirtschaftsministers Wilhelm Molterer und später Manager bei der Billa/Rewe-Gruppe. Wutscher ist seit 2012 Spitzenmanager beim indischen Landwirtschaftsunternehmen Godavari Biofineries Ltd in Mumbai tätig und arbeitet mit dem Venture Capital-Fonds Blume Funds bei Investitionen in indische Start-ups zusammen. Wutscher ist der Meinung, dass die neue Regierung den Vorteil habe, dass die Regierungspartei BJP von Premier Narendra Modi auch eine Reihe von Bundesstaaten kontrolliere, was die politische Koordination zwischen Delhi und den Bundesstaaten vereinfache. Wutscher hofft auf Bürokratieabbau und eine Infrastrukturoffensive: "Gerade in der Landwirtschaft haben wir das Problem, dass die Wege von den Produzenten zu den Märkten zu lange sind, vielfach verdirbt Frischware." Erschwerend kommt hinzu, dass zwischen den einzelnen Bundesstaaten immer noch Zollstationen existieren, was zusätzlich zu Wartezeiten führt.

"Es gab ja bereits einige positive Signale vonseiten der neuen Regierung. Die Frage wird nun sein, ob sie auch in der Wirtschaftspolitik progressiver sein wird, als die Kongress-Regierung dies war", sagt Wutscher.