Das Schiedsgericht in Den Haag soll den Grenzstreit zwischen Slowenien und Kroatien klären.
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Friedenspalast nennt sich das Gebäude. Vor gut hundert Jahren im Stil der Neorenaissance erbaut, erhebt sich der rote Backsteinbau in einer großzügig angelegten Parklandschaft in der niederländischen Stadt Den Haag. In den hohen Räumen wölben sich Kuppeln auf Marmorsäulen über Mosaikfußböden. Und inmitten all der Pracht sollen Konflikte anstatt mit Gewalt mit Friedensverhandlungen gelöst werden. Der Palast ist nämlich Sitz des Ständigen Schiedsgerichts. Mauritius beispielsweise hat dieses eingeschaltet, um sich gegen die Einrichtung einer britischen Marinezone im Indischen Ozean zu wehren. Die Philippinen klagten dort gegen maritime Ansprüche Chinas. Dänemark wandte sich im Namen der Färöer-Inseln an die Richter, weil es mit den EU-Fangquoten für Hering nicht zufrieden ist. Und nun sitzen einander in Den Haag auch Vertreter Sloweniens und Kroatiens gegenüber.
Es geht um einen Grenzstreit, der schon länger aus dem Blickpunkt der breiten Öffentlichkeit gerückt ist. Verschwunden ist er deswegen trotzdem nicht. Vor zwei Monaten ist er sogar wieder kurz neu aufgeflammt, und das wegen vermuteter Erdölvorkommen in der Adria. Während Kroatien schon auf ein Milliardengeschäft hoffte, zeigte sich Slowenien erzürnt. Die potenziellen Lagerstätten liegen nämlich teilweise in dem umstrittenen Gebiet, und die Regierung in Zagreb würde mit der Einleitung eines Bieterverfahrens dem Richterspruch in Den Haag vorgreifen.
Der Zwist, losgegangen kurz nach dem Zerfall Jugoslawiens, dreht sich um ein Stück entlang der Landesgrenze zwischen den beiden Nachbarn sowie um die Bucht von Piran. Sloweniens Küste ist nur ein paar Dutzend Kilometer lang; sein Zugang zu internationalen Gewässern ist eng. Und gerade den machte ihm Kroatien streitig.
Die Regierung in Ljubljana hat allerdings vor zehn Jahren eine gewichtige Möglichkeit bekommen, Druck auf Zagreb auszuüben. Nach dem Beitritt zur Europäischen Union konnte Slowenien die EU-Ambitionen Kroatiens kurzfristig stören, indem es die Beitrittsverhandlungen blockierte.
Schließlich einigten sich die Länder darauf, vor das Schiedsgericht zu ziehen. Kroatien wurde im Vorjahr in die EU aufgenommen.
Die Richter in Den Haag sollen nun drei Fragen klären: den Verlauf der See- und Landesgrenzen zwischen der Republik Slowenien und der Republik Kroatien, Sloweniens Zugang zu internationalen Gewässern sowie die Regeln zur "Nutzung wichtiger Meeresgebiete", was nicht zuletzt für die Fischerei von Bedeutung ist. Das Gericht hatte für vergangene und hat für kommende Woche eine Reihe von Anhörungen angesetzt und die Zeit dafür streng symmetrisch zwischen den beiden Parteien aufgeteilt. Am Montagnachmittag, Dienstagmorgen und -nachmittag hatte Kroatien Gelegenheit, seine Argumente zu präsentieren. Am Donnerstagmorgen und -nachmittag sowie Freitagmorgen war Slowenien an der Reihe. In der kommenden Woche soll es ebenso verlaufen.
Ein rasches Urteil ist danach freilich nicht in Sicht. Eine Entscheidung werden die Richter wohl erst im nächsten Jahr fällen. Sie soll dann aber endgültig sein: Eine Berufung ist nicht möglich.