Die Regierung in Berlin verlängert die weltweite Reisewarnung und blockt Österreichs Werben um Touristen weiter ab.
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"Tourismus: Warten auf die Deutschen", lautete in Felix Mitterers legendärer TV-Serie "Piefke-Saga" der verworfene, weil zu wenig reißerische Titel eines geplanten Magazincovers. Heraus kam das zugespitzte "Wer braucht die Piefke?" - und die deutsch-österreichische Hassliebe im Tourismussektor war auf den Punkt gebracht.
Warten auf die Deutschen heißt es auch in Zeiten des Coronavirus. Und zwar mit großer Sehnsucht, schließlich sorgen die Gäste aus dem Nachbarland für die Hälfte des Gesamtumsatzes. Doch es heißt weiter warten: Die Bundesregierung in Berlin verlängerte am Mittwoch die weltweite Reisewarnung bis zum 14. Juni für alle nicht notwendigen touristischen Reisen. Zuvor galt die seit Mitte März bestehende Warnung, die erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik ausgesprochen werden musste, bis Anfang Mai.
Eine Prognose über den neuen Stichtag im Juni hinaus will der deutsche Außenminister Heiko Maas nicht abgeben. Niemand könne versprechen, dass die Warnung dann aufgehoben werde. Dabei wünscht sich Maas eine "europäische Lösung", er sei diesbezüglich im Gespräch mit seinen EU-Amtskollegen.
4,8 Milliarden Euro weniger Umsatz
Von einer "verantwortungsvollen Entscheidung" sprach der deutsche Reise-Branchenverband DRV. Er wies zugleich darauf hin, dass bereits bis Ende April 4,8 Milliarden Euro an Umsatzausfällen angefallen seien. Alleine der weltgrößte Tourismuskonzern TUI muss mit einem Staatskredit über 1,8 Milliarden Euro gestützt werden.
Heimischen Hoteliers und Gastronomen wie auch dem Handel kommt die Verlängerung der Reisewarnung höchst ungelegen. Die österreichische Bundesregierung arbeitet bereits intensiv an einer Öffnung. Tourismusministerin Elisabeth Köstinger brachte vor kurzem eine bilaterale Vereinbarung mit Deutschland ins Spiel, damit die Grenzen für Urlauber im Sommer offen sind. Außenminister Alexander Schallenberg betonte, Österreich werde den Tourismus nur behutsam hochfahren. Und Bundeskanzler Sebastian Kurz erklärte am Mittwoch zu den deutschen Reisebeschränkungen, "in Länder, die sicher sind" solle man frei reisen können. Die Corona-Ansteckungszahlen in Österreich seien niedriger als in Teilen Deutschlands.
Doch die Regierung trifft im Ausland auf Skepsis, und diese lässt sich in einem Wort zusammenfassen: Ischgl. "Ein europäischer Wettlauf darum, wer touristische Reisen zuerst wieder zulässt, führt zu unvertretbaren Risiken", sagte Außenminister Maas vor kurzem in der "Bild am Sonntag". Und wurde noch deutlicher: "Was ein Infektionscluster in einem beliebten Urlaubsgebiet in den Heimatländern der Touristen anrichten kann, haben wir bereits erlebt."
Selbst Bayerns Ministerpräsident Markus Söder, der bei den Corona-Maßnahmen strengere Regelungen als andere deutsche Landesregierungen propagiert und sich in ständigem Kontakt mit Sebastian Kurz befindet, nannte Ischgl angesichts der Absage des Münchner Oktoberfestes sogar beim Namen: "Wir haben erlebt, dass der Après-Ski in Ischgl, verschiedene Starkbierfeste beispielsweise oder auch Karnevalsveranstaltungen leider Viren-Drehscheiben waren."
Österreich-Werbung gibt sich zugeknöpft
341 Corona-Fälle von in Deutschland lebenden Personen, die sich mutmaßlich in Ischgl angesteckt hatten, listet ein Rechercheteam des Bayerischen Rundfunks auf. So seinen etwa in einer Reisegruppe elf von 17 Personen positiv auf Sars-CoV-2 getestet worden. Doch die Datenlage ist komplex, die Nachverfolgung nicht immer eindeutig. Und die möglichen Verfehlungen gehen weit über Ischgl hinaus: Beim Verbraucherschutzverein VSV, der eine Sammelklage anstrebt, meldeten sich 4500 Tirol-Urlauber. 71 Prozent von ihnen stammen aus Deutschland. Zur Sachverhaltsdarstellung des VSV bei der Staatsanwaltschaft, weil die Tiroler Behörden die Sperren von Hotels und Pisten hinausgezögert haben sollen, soll kommende Woche ein Zwischenbericht der Polizei vorliegen.
Wie groß der Imageschaden ist und wie viele Urlauber auch angesichts kritischer Berichte nicht nach Tirol oder in andere Bundesländer reisen wollen, muss sich erst zeigen. Inwieweit sie von ihren Geschäftspartnern mit Fragen zu Ischgl konfrontiert wird, wollte die "Wiener Zeitung" bei der Österreich Werbung in Erfahrung bringen - und blieb ohne Antwort. Das Außenwirtschaft Center Berlin der Wirtschaftskammer habe "keinerlei Anfragen bekommen, weder von Firmen noch von Institutionen", erklärt Wirtschaftsdelegierter Heinz Walter. So auch sein Kollege Andreas Haidenthaler in München. Er verweist darauf, dass sich Anfragen zum "allergrößten Teil momentan auf das Thema Grenzkontrollen" beziehen.