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Warten auf die Tränenrede

Von Walter Hämmerle

Politik

200.000 Grazer am 20. Jänner wahlberechtigt. | Klare Botschaften Mangelware. | Beteiligung als Unsicherheitsfaktor. | Graz. Wahlkampf ist in Graz. Zumindest das macht ein Gang durch die Stadt rasch deutlich. Die steirische Landeshauptstadt ist zugepflastert mit Plakaten. Allein, wer sich als Wähler von diesen Orientierungshilfe bei seiner Wahlentscheidung erhofft, bleibt angesichts der Slogans etwas ratlos zurück: Klare Botschaften sind Mangelware.


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"Ich will mehr für Graz" plakatiert etwa der rote Herausforderer des schwarzen Bürgermeisters. Etwas konkreter, angriffiger sollte es Vizebürgermeister Walter Ferk aber schon anlegen, eine Kampfansage sieht anders aus. Obwohl sich Ferk an den Erfolgsthemen der SPÖ im Nationalratswahlkampf 2006 hält: Soziales, Bildung, Fairness: Der Funke der Botschaft will nicht überspringen.

Von einem zündenden Wahlkampf kann auch bei der ÖVP nicht die Rede sein. Bürgermeister Siegfried Nagl setzt ganz auf Wohlgefühl. Im Unterschied zu Ferk kann er sich eine solche Kampagne ohne Biss aber leisten. Immerhin hat er in den ersten Jahren als Bürgermeister mit starken Sprüchen nicht gegeizt - und sich so als Mann der klaren Worte im Unterbewusstsein der Grazer verankert. Gegen Bettler, Punker und die EU-Ambitionen der Türkei wetterte Nagl am allerliebsten. Die Aufregung war jedesmal groß. Jetzt im Wahlkampf vermeidet er jede Polarisierung, gibt den Mittler und Verbinder.

Müder Wahlkampf

Der thematisch eher müde Wahlkampf verspricht eine eher schwache Mobilisierung am Wahltag. Immerhin sind laut Umfragen zwischen 25 und 30 Prozent der Stimmberechtigten noch unentschlossen. Diese Zahl ist auch der große Unsicherheitsfaktor bei sämtlichen Umfragen. Man denke nur an Hillary Clintons Last-minute-Erfolg bei den US-Vorwahlen in New Hampshire - Mobilisierung der eigenen Anhänger lautet das Zauberwort.

An diese Wahrheit klammert sich auch die SPÖ. Als wäre also höchste Zeit für einen tränenreichen Auftritt des Herausforderers, auf dass er die Herzen seiner Anhänger erweiche. Lässt ein solcher oder vergleichbarer Coup allerdings weiter auf sich warten, wird die ÖVP wohl als sicherer Sieger feststehen.

Ferk bleibt dann nur noch die Hoffnung, mithilfe einer rot-rot-grünen Koalition den Bürgermeistersessel zu erobern. 2003 scheiterte das am Unwillen der KPÖ, ein fixes politisches Bündnis einzugehen. Ob das die jetzige KPÖ-Spitzenkandidatin Elke Kahr anders sieht, bleibt abzuwarten. Die Grünen mit Lisa Rücker an der Spitze zieren sich zwar vor den Avancen Nagls, Bundesparteichef Van der Bellen hat für Schwarz-Grün aber Sympathie erkennen lassen.

Während FPÖ und BZÖ im Machtpoker nach der Wahl keine Rolle spielen, wirbeln sie im Wahlkampf umso mehr Staub auf. Beide provozieren mit kantigen Slogans zu Ausländern, Kriminalität und Bettelei. FPÖ-Frontfrau Susanne Winter will sich etwa partout das Wort "Neger" nicht verbieten lassen, BZÖ-Spitzenkandidat Gerald Grosz verspricht im Gegenzug, Graz "säubern" zu wollen. Den Zweck haben beide Kampagnen erfüllt: Mit möglichst wenig Mitteln für möglichst viel Wirbel zu sorgen.

Stichwort Graz-Wahl

Gewählt werden in Graz der Gemeinderat und Bezirksräte. Zehn Parteien treten an. Wahlberechtigt sind alle Grazerinnen und Grazer ab 16, insgesamt 198.020 Personen, 92.145 Männer und 105.875 Frauen. Nicht-EU-Staatsbürger können parallel den MigrantInnenbeirat als ihre Interessenvertretung bestellen. Die Briefwahl ist mit Wahlkarte möglich. Am Wahltag werden 268 Wahllokale von 7.00 bis 16.00 Uhr geöffnet sein.

HintergrundWahldokumentation GrazSiehe auchDie Hoffnung stirbt zuletzt

+++ Der Mann mit zwei Händen

+++ Spannender Dreikampf um Platz drei