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Warten auf ein Datum

Von WZ-Korrespondentin Martyna Czarnowska aus Riga

Politik

EU-Gipfel gewährt Georgien und Ukraine nur vage Hoffnung auf Visafreiheit im kommenden Jahr.


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Riga. Ein Fünkchen Hoffnung - viel mehr haben die Georgier in Riga nicht erhalten. Haben sie noch vor einiger Zeit mit Visafreiheit in den nächsten Monaten gerechnet, wurden sie beim Gipfeltreffen der EU-Staats- und Regierungschefs mit Amtskollegen aus sechs östlichen Partnerländern in der lettischen Hauptstadt erneut vertröstet. Im kommenden Jahr vielleicht. Wenn die Bedingungen erfüllt sind. Und wenn die EU-Kommission einen positiven Bericht dazu präsentiert. Immerhin wird die Behörde im Schlussdokument der Zusammenkunft in ihrem Vorhaben bestärkt, bis Jahresende die Überprüfung abzuschließen. Diese wird auch die Ukraine betreffen. Für Aserbaidschan, Armenien und Weißrussland hingegen ist die Abschaffung der Visumpflicht nicht in Sicht; erreicht hat sie von den sechs Partnern bis jetzt nur Moldawien.

Ein Datum für die Reisefreiheit wird den Georgiern und Ukrainern jedoch nicht genannt. Mit Versprechen hält die EU sich überhaupt zurück, auch wenn sie die Wichtigkeit der Zusammenarbeit auf jeder der dreizehn Seiten der Schlusserklärung betont. Deren endgültiger Version ist allerdings ein diplomatisches Tauziehen vorangegangen.

Gerungen wird da um einzelne Worte. Soll von "Ereignissen", "Vorfällen" oder gar "Angriffen" in der Ukraine die Rede sein? Armenien und Weißrussland waren gegen eine allzu scharfe Formulierung - aus Rücksicht auf Russland, dem sie nicht zuletzt durch die Mitgliedschaft in der eurasischen Wirtschaftsunion verbunden sind. Von "Attacken" wird daher nicht gesprochen.

Was ebenfalls fehlt, ist die Erwähnung einer "europäischen Perspektive". Allzu nahe läge das aus Sicht mancher Mitgliedstaaten am Versprechen einer späteren möglichen Aufnahme in die EU. Während Polen beispielsweise diese Aussicht schon vor langer Zeit gern gewährt hätte, sind westeuropäische Länder wie Deutschland oder Österreich weit zögerlicher. Die östliche Partnerschaft habe nicht die Erweiterung zum Ziel, erklärte die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel. Ihr österreichischer Amtskollege Werner Faymann warnte ebenfalls vor falschen Hoffnungen: Ein EU-Beitritt stehe weder für die Ukraine noch für ein anderes Partnerland auf der Tagesordnung. In der Erklärung der Staats- und Regierungschefs werden daher lediglich die "europäischen Bestrebungen" anerkannt.

Die "territoriale Integrität" ist ein weiterer Punkt, über den sich debattieren lässt. Zwar herrscht Einigkeit darüber, dass ihre Verletzungen nicht hingenommen werden sollten. Doch eine ausdrückliche Verurteilung der Annexion der Halbinsel Krim findet sich nicht in dem Text - stattdessen ein Hinweis darauf, dass die EU "die territoriale Integrität, Unabhängigkeit und Souveränität aller Partner" unterstützt.

Unterschiedliche Interessen

Heikel sind solche Begriffe nicht nur wegen des Konflikts um die Ukraine. Selbst in der Gruppe der sechs Partnerländer gibt es Zwist um Territorien und Einfluss. Moldawien hat ein Problem mit den Separatisten der selbsternannten Republik Transnistrien; und Georgien musste sich mit der Abspaltung zweier Regionen abfinden, in die russische Truppen einmarschiert sind. Aserbaidschan sowie Armenien wiederum beanspruchen die Region um Berg Karabach jeweils für sich.

Die politischen Entwicklungen aber auch die unterschiedlichen Interessenslagen in der Region machten es der EU denn auch immer schwieriger, ihr Programm der östlichen Partnerschaft einheitlich zu gestalten. Mittlerweile hat sie das selbst eingeräumt, und die Kommission will einen individuellen Ansatz finden. Aserbaidschan etwa hat keineswegs den Ehrgeiz, mit der Union ein Freihandels-Abkommen abzuschließen, wie es die Ukraine, Georgien und Moldawien getan haben. Armenien wiederum ist zwar der eurasischen Wirtschaftsunion beigetreten, doch möchte es gleichzeitig eine Form der Kooperation mit den Europäern finden. Bis Sommer könnte die Kommission ein Mandat von den Mitgliedstaaten erhalten, darüber zu verhandeln, hofft die Brüsseler Behörde.

Die Deklaration in Riga war aber auch von dem Bemühen getragen, die Beziehungen zu Russland nicht weiter zu verschlechtern. Über Sanktionen gegen den Kreml wurde nicht gesprochen. Stattdessen betonten EU-Ratspräsident Donald Tusk und Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, keinesfalls neue Gräben in Europa aufreißen zu wollen. Den russischen Vize-Außenminister Sergej Rjabkow hielt das dennoch nicht von der Warnung ab, die Ostpartner sollten nicht vor "eine falsche Wahl" zwischen Brüssel oder Moskau gestellt werden.

Eine Bedrohung ortete ebenfalls ein Grüppchen pro-russischer Demonstranten, das sich vor der Nationalbibliothek, dem Tagungsort, zusammengefunden hatte. Die östliche Partnerschaft sei ein "Auslöser für Krieg" hieß es auf dem Transparent. Zuvor aber gab es eine Versammlung mit einer anderen Botschaft: Dabei forderten die Beteiligten eine stärkere Anbindung der Ukraine und Georgiens an die EU.