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Warten auf ein Wunder

Von Veronika Eschbacher

Wirtschaft

Eine Einigung zur Drosselung der Ölförderung liegt in weiter Ferne. Indes steigen die Risiken für die Weltwirtschaft.


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Wien. Bis vor wenigen Monaten noch warteten nur Brancheninsider mit Hochspannung auf den Monatsbericht der Opec. Heute hoffen Menschen von Venezuela bis Russland darauf, positive Nachrichten in dem stets rund 100 Seiten umfassenden Marktbericht der Organisation erdölexportierender Staaten (Opec) zu finden. Doch wer Zeichen für einen ansteigenden Ölpreis erhofft hat, wurde enttäuscht. Die Opec kürzte in ihrem am Mittwoch veröffentlichten Februar-Bericht ihre Erwartung an das Wachstum der weltweiten Ölnachfrage 2016 auf 1,25 Millionen Barrel pro Tag, ein Minus von 10.000 Barrel. Gleichzeitig vermeldete sie einen weiteren Produktionsanstieg der Opec-Länder im Jänner um 131.000 Barrel auf 32,33 Millionen Barrel pro Tag (bpd). Darüber hinaus legt der Bericht nahe, dass das Überangebot auf dem Ölmarkt insgesamt im Jahr 2016 auf 720.000 Fass pro Tag ansteigen wird; bislang hatte das Ölkartell mit 530.000 bpd gerechnet.

Somit geht auch die Opec von keiner Entspannung auf dem Ölmarkt in naher Zukunft aus; wie bereits die Internationale Energie-Agentur (IEA) in Paris einen Tag davor. Für ein Fass (156 Liter) werden derzeit um die 30 Dollar fällig. Seit Juli 2014 ist der Ölpreis um mehr als 70 Prozent gefallen.

Diese Entwicklung bringt nicht nur die Ölförderindustrie und ihre Zulieferer arg in Bedrängnis, sondern auch Staaten wie Russland oder Venezuela, deren Budgets stark von den Ölexporten abhängig sind. Venezuela steht mittlerweile am Rande des Staatsbankrotts. Das lateinamerikanische Land ist einer der lautesten Fürsprecher von Produktionskürzungen innerhalb des Opec-Kartells, um so den Ölpreis wieder nach oben zu treiben. Das Land hat sogar bereits sechs Opec-Mitglieder und zwei Nichtmitglieder zusammengebracht, die für eine außerordentliche Sitzung der Förderländer offen wären. Dazu ist es bisher nicht gekommen. Vergangenes Wochenende hat ein Treffen der Ölminister Venezuelas und des wichtigsten Opec-Staates Saudi-Arabien ebenso keine konkreten Ergebnisse gebracht.

Wenig Chancen auf Einigung

Auch aus dem in die Rezession geschlitterten Nicht-Opec-Mitglied Russland sind Rufe nach einer Drosselung der Ölförderung zu hören. Führende Förderländer könnten ihren Ausstoß zur Stabilisierung der Märkte um je eine Million Barrel pro Tag reduzieren, sagte der Chef des russischen Energiekonzerns Rosneft, Igor Setschin, bei einer Konferenz in London. Setschin selbst zeigte sich aber selbst skeptisch, ob es dazu kommen könnte: "Wer soll die Förderung kürzen? Saudi-Arabien? Iran? Mexiko? Brasilien? Wer wird sie drosseln?", fragte er.

Inzwischen hat Saudi-Arabien zwar Bereitschaft zu Förderkürzungen signalisiert, wenn sich alle großen Produzenten daran beteiligten. Doch mehr als Signale waren es bisher nicht. Dies ließ die IEA diese Woche zu dem Schluss kommen, eine Vereinbarung zwischen Opec-Ländern und weiteren führenden Produzenten "scheint nichts als Spekulation zu sein". Im Kampf um Marktanteile haben die größten Ölstaaten wie Saudi-Arabien bisher bewusst auf Produktionskürzungen verzichtet und stattdessen den Markt geflutet. Damit wollen sie unter anderem die USA aus dem Markt drängen, wo dank der umstrittenen Fracking-Technik die Förderung boomt.

Geht es nach den aktiven Bohrlöchern, so geht für Saudi-Arabien die Strategie bislang auf. Weltweit waren 2015 - ohne China und Ex-Sowjetländer - im Vergleich zum Vorjahr 1241 Bohrlöcher weniger in Betrieb. Der Rückgang traf mit 1219 weniger aktiven Bohrlöchern fast nur Nicht-Opec-Länder, darunter vor allem die USA (minus 885).

Negativeffekt auf Konjunktur

Mittlerweile kommen mehr und mehr Analysten zu dem Schluss, dass der jetzige äußerst tiefe Ölpreis nicht nur für große Förderländer problematisch ist, sondern auch die globale Konjunktur bedroht. Auch der Opec-Monatsbericht widmet den negativen Folgen des niedrigen Ölpreises eine Extra-Seite, gänzlich mit herausstechendem Gelb unterlegt. Während üblicherweise niedrige Ölpreise Volkswirtschaften als Konjunkturspritze dienen, habe diesmal "der allgemeine Negativeffekt des starken Ölpreisverfalls seit Mitte 2014 die Vorteile eines billigen Ölpreises kurzfristig wettgemacht", heißt es dort. Die Investitionen im Ölsektor trugen in den vergangenen Jahren nicht unwesentlich zum Wirtschaftswachstum bei, jede weitere Zurückhaltung bei Investitionen durch die volatile Situation am Ölmarkt habe hier negative Auswirkungen. Der niedrige Ölpreis verbillige aber auch die Produktion in der verarbeitenden Industrie oder der Landwirtschaft, was den Trend zu niedriger Inflation weiter verstärke. Vielleicht ist diese Seite ja als eine kleine Einladung zu einer weltweiten Förderdrosselung zu verstehen. "Extreme Preise", erklärte Opec-Generalsekretär Abdalla El-Badri kürzlich, "sind weder im Interesse der Produzenten noch der Konsumenten."