)
Die Familien der Soldaten warten auf die Rückkehr ihrer Männer und Väter. | Republikaner setzen auf McCain, weil er gegen Abzug aus Irak eintritt. | Denver. Die grauen Wolken hängen tief über dem kleinen Städtchen vor den Rocky Mountains. Das kalte, diesige Wetter passt zu den Skeletten kahler Bäume und die Reihen trauriger Einfamilienhäuser zur Farbe der Wolken. Schmutzige Reste von Schnee säumen die Straße, der entlang ein paar verwaiste Supermärkte liegen. Einzig sauber und strahlend leuchten die Sterne und Streifen auf der Fahne hoch oben auf dem Masten vor der Stadt. Ihr Name, Security, ist Programm. Hier wohnen die Soldaten der Militärbasis Fort Carson mit ihren Familien.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 16 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Hier wohnt auch April mit ihren drei Kindern. Bill, ihr Mann, ist nicht zu Hause. Der Staff Sergeant des U.S. Marine Corps ist so wie die meisten seiner Nachbarn auf den Schlachtfeldern des Iraks im Einsatz - bereits zum dritten Mal.
"Natürlich mag ich diese Situation nicht. Ich muss mich allein um den ganzen Haushalt kümmern.", sagt April. Auf die Hilfe ihrer Verwandten kann die 26-Jährige nicht zählen, die leben noch im Heimatort in Alaska. Dort hat sie vor sieben Jahren ihren Bill geheiratet, der auf der Suche nach einem sicheren Job in die US-Army eintrat. Eineinhalb Jahre später befand er sich bereits auf dem Weg in den Irak. Groll, oder gar Rachegefühle, hegt April gegen ihren Mann deshalb nicht - ganz im Gegensatz zu vielen ihrer Leidensgenossinnen. So mancher von Bills Freunden ist bereits vom Krieg zurückgekehrt, ohne seine Frau, sein Geld und sein Haus wieder vorzufinden.
"Bill hat es sich schließlich nicht ausgesucht, in den Irak zu gehen", sagt April verständnisvoll. Dabei hatte ihr Mann nicht wirklich Gelegenheit, sich als guter Vater und Mustergatte zu beweisen. Von den letzten fünf Jahren war er gerade einmal eineinhalb zu Hause.
US-Soldaten im Irak auf verlorenem Posten
Wie schön wäre es doch, wenn die US-Truppen endlich aus dem Irak abzögen und ihr Bill nach Hause kehren könnte. Am Golf stehe man ohnedies auf verlorenem Posten: "Wir haben es in sechs Jahren nicht geschafft, im Irak Stabilität, Einheit oder Sicherheit durchzusetzen, dafür aber Milliarden Dollar ohne Resultate versenkt", ärgert sich April.
Im Gegensatz zu ihrem Mann wählt sie jetzt demokratisch - damit endlich wieder Normalität in ihr Leben einkehren kann. Denn die Demokraten stehen in den USA für den Abzug aus dem Irak, wenn auch April nicht glaubt, dass der je vollständig erfolgen wird.
So unangenehm die Situation ist, so froh ist April über das soziale Netz, dass die Army ihr bietet. Eine Million Dollar hat die schon für ihre schwerkranke Tochter Rogue gezahlt, die nach einem Unfall zwei Monate zu früh auf die Welt kam. Heute noch braucht Rogue laufend teure Medikamente. "Allein schon wegen unserer Tochter könnte Bill nicht mehr aus der Army austreten. Keine Versicherung würde Rogue unter diesen Bedingungen noch nehmen."
Dennoch hat sich April schon so manches Mal gewünscht, Bill wäre nicht in die Armee eingetreten. Die zwei Wochen, die er im Jahr zu Hause ist, hat er mit Integration zu kämpfen. Wenn er böse wird, schreit er zu Hause, als ob er seine Untergebenen zurechtweisen müsste. Einmal hätte er April während eines Alptraums fast erwürgt - kein Wunder bei den Schrecklichkeiten die er gesehen hat. Unter anderem ist Bill im Irak damit beschäftigt, menschliche und technische Überreste von tödlichen Angriffen auf seine Kameraden zu entsorgen.
Von Krieg und Gewalt will April am liebsten nichts mehr wissen. Doch das ist nicht so einfach in einer Gegend und einem Umfeld, in denen Gewalt als überlebenswichtig und Waffen als absolute Notwendigkeit gelten. In dieser Region von Colorado tragen sogar Geistliche Waffen.
William Jack Wilson war früher Polizeipsychologe. Jetzt ist er Priester der episkopalen Kirche und würde nicht im Traum daran denken, eine seiner sechs Waffen herzugeben. Seine 38er Smith & Wesson hat Wilson immer dabei. "Es gibt böse Menschen auf dieser Welt", sagt er mit düsterer Miene. Warum er eine Waffe trägt? "Der einzige Grund, eine Waffe zu tragen, ist um zu töten", sagt Wilson bestimmt. Seiner Religion widerspreche das nicht, denn mit der Waffe könne er Leben retten. Schließlich lebt er in Colorado im berühmt-berüchtigten Wilden Westen und dem Bundesstaat, in dem 1999 beim Massaker an der Columbine High School 13 Menschen getötet wurden. "Erst vor kurzem ist hier in Colorado Springs in der Kirche einer durchgedreht und hat begonnen, Leute zu erschießen. Zum Glück war eine Frau mit Waffe da und hat ihn abgeknallt."
Waffen, Sicherheit, eine harte Linie beim Irak-Krieg: Das sind Themen die Wilson im aktuellen Präsidentschaftswahlkampf ansprechen, Werte, die vor allem Republikaner vertreten. Darauf setzt auch Senator John McCain, der aussichtsreichste der republikanischen Kandidaten. "Deshalb befinden wir uns hier in McCain-Land", erklärt Wilsons Freund Chuck Green. Der frühere Chefkolumnist der größten Zeitung Colorados, der "Denver Post", weint den vergebenen Chancen im Irak Krieg nach: "Wir waren zu sehr mit unseren Popularitätswerten beschäftigt und mit dem Aufbau im Irak, statt zuerst einmal reinen Tisch zu machen und das Land ordentlich zu besiegen und befrieden."
McCain als Hardliner in Sachen Irak
Als Hardliner in Sachen Irak ist McCain schon des öfteren ins Kreuzfeuer der Kritik geraten, doch seiner Linie blieb er treu. Auch kurz vor dem großen Vorwahltag zur Präsidentschaftskandidatur am 5. Februar legte McCain noch eine furiose Rede hin: "Ich weiß, dass es Leute in diesem Land gibt, die einen Rückzugsplan aus dem Irak fordern. Aber ich sage Euch, was das bedeuten würde: Sich zu ergeben!" Ein Spruch nach Greens Geschmack, der den demokratischen Kandidaten nichts abgewinnen kann - ganz im Gegensatz zur 22-jährigen Empfangsdame im Ritz.
Dora ist ein Fan von Barack Obama, der seinerzeit gegen den Irak-Krieg gestimmt hat und diesen beenden will, sollte er tatsächlich einmal das höchste Amt im Staat bekleiden. Früher war sie Republikanerin, doch mittlerweile ist auch ihr Mann im Irak gelandet. Von den 15 Monaten, die er dort vorerst einmal im Einsatz ist, sind erst wenige vergangen. Nach einem begeisterten Eintritt in den Krieg im Irak will Doras Mann mittlerweile nur noch zurück nach Hause. Er hat genug von Waffen und Kämpfen.