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Warten auf Italiens neue Regierung

Von Rainer Mayerhofer

Politik

Vertrauensabstimmungen über Expertenkabinett bis Freitag möglich.


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Rom. Nach dem Rücktritt Silvio Berlusconis - er kam am Samstagabend mit halbstündiger Verspätung in den Präsidentenpalast und war empört über die feiernden Italiener auf den Straßen - hat der am Sonntagabend von Staatspräsident Giorgio Napolitano mit der Regierungsbildung beauftragte Mario Monti am Montagmorgen mit den Konsultationen begonnen, die heute Abend abgeschlossen sein sollen. Kammerpräsident Gianfranco Fini, der als einer der Ersten zum Gespräch bei Monti geladen war, rechnet damit, dass die neue Regierung bis Freitag im Abgeordnetenhaus und Senat das Vertrauen ausgesprochen bekommt.

Nachdem Berlusconis Regierungspartei Popolo della Liberta (PdL - Volk der Freiheit) bis zuletzt gepokert hatte, um einige ihrer führenden Vertreter im Kabinett unterzubringen, fordert sie jetzt so wie die größte Oppositionspartei PD (Demokratische Partei) eine Regierung, die ausschließlich aus parteilosen Fachleuten besteht. Die PdL möchte, dass die neue Regierung nur die von der EU geforderten Wirtschaftsreformen umsetzt und dann zurücktritt, und behält sich vor, ihr gegebenenfalls das Vertrauen zu entziehen. Die PD will aber, dass die Regierung Monti auch eine Wahlrechtsreform verabschiedet. Die Verabschiedung eines neuen Wahlgesetzes ist für die kleinere linke Oppositionspartei Italia dei Valori (IdV - Italien der Werte) eine Grundvoraussetzung für eine Unterstützung Montis. IdV-Parteichef Antonio Di Pietro, der noch vor wenigen Tagen den Verbleib in der Opposition angekündigt hatte, ist unter dieser Bedingung zu einer Unterstützung der Regierung Monti bereit.

Eindeutig für die Opposition hat sich die Lega Nord entschieden. Deren Chef Umberto Bossi kündigte in einem Telefongespräch mit Monti am Montag jedoch an, dass man die einzelnen Maßnahmen der Regierung prüfen und von Fall zu Fall über eine Zustimmung entscheiden werde.

Uneingeschränkt stehen die Parteien des sogenannten Dritten Pols - darunter die christdemokratische Zentrumsunion (UDC) des früheren Kammerpräsidenten Pier Ferdinando Casini und die neue Rechtspartei FLI (Zukunft und Freiheit in Italien) des amtierenden Kammerpräsidenten Gianfranco Fini - hinter einer künftigen Regierung Monti, die sie bis zum Ende der Legislaturperiode im Frühjahr 2013 unterstützen wollen.

Monti will auch Politikerin seinem Kabinett

Monti selbst würde nach den Aussagen seiner Gesprächspartner eine Mischung von Experten und Politikern bevorzugen. Am Montag trafen die Delegationen der kleineren Parteien mit dem designierten Premier zu Konsultationen zusammen. PD und PDL sind erst heute, Dienstag, Vormittag an der Reihe. Am Nachmittag spricht Monti mit den Sozialpartnern. Er führte auch Telefonate mit EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy und EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso, die zuvor seine Nominierung zum Premier als weiteres ermutigendes Signal zur Krisenüberwindung begrüßt hatten.

An den Finanzmärkten hat die Nominierung Montis noch nicht für die große Entspannung gesorgt. Die Investoren verlangen weiterhin Rekordzinsen für italienische Staatsanleihen. Für die am Montag platzierten Staatsanleihen mit fünf Jahren Laufzeit im Umfang von drei Milliarden Euro ist eine Rendite von 6,29 Prozent fällig, der höchste Wert seit der Euro-Einführung.

Wie sein demissionierter Vorgänger Silvio Berlusconi stammt der designierte neue italienische Premier Mario Monti aus der Lombardei. Damit erschöpfen sich jedoch die Parallelen zwischen den beiden.

Der am 19. März 1943 in Varese als Sohn eines Bankiers geborene Monti, der wegen seiner strengen und geradlinigen Art in Italien auch den Beinamen "der Preuße" trägt, schlug nach dem Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Mailänder Luigi-Bocconi-Universität und einem Post-Graduierten-Studium an der Yale University in den USA die wissenschaftliche Laufbahn ein und lehrte an den Universitäten Mailand, Trient und Turin. 1989 bis 1994 war er Rektor an der Bocconi-Universität und dann bis 1999 deren Präsident.

1995 wurde der überzeugte Europäer Mitglied der EU-Kommission, wo er zunächst für den Binnenmarkt zuständig war und 1999 das Wettbewerbsressort übernahm. In dieser Funktion scheute er sich nicht, gegen Kartelle und Preisabsprachen, unbegründete Staatshilfen und Großfusionen aufzutreten. Damit setzte er sich gegen einzelne Regierungen in EU-Ländern sowie gegen Großkonzerne wie Microsoft und Volkswagen durch. Aber auch die heimische Regierung verschonte der parteiunabhängige Monti nicht und verlangte von Rom wiederholt Klarheit über den Europakurs des Landes und Garantien für den Einstieg in die Währungsunion.

Als er von der Berlusconi-Regierung 2004 durch den heutigen Außenminister Franco Frattini als EU-Kommissar abgelöst wurde, kehrte Monti nach Mailand zurück und übernahm erneut die Präsidentschaft an der Bocconi-Universität. Daneben war er von 2004 bis 2008 Aufsichtsratsmitglied des Brüsseler Think Tanks Brueghel sowie 2010 an der Gründung der Spinelli-Gruppe beteiligt, die sich für den europäischen Föderalismus einsetzt. Daneben verfasste er Beiträge für angesehene Publikationen. Unter anderem schrieb Monti für die Tageszeitung "Corriere della Sera".

"Super-Mario" - wie Monti inzwischen auch genannt wird - muss in seiner neuen Funktion als Regierungschef die unter seinem Vorgänger verlorengegangene Glaubwürdigkeit Italiens auf den Finanzmärkten wiederherstellen und gleichzeitig das Vertrauen der italienischen Parteien erringen.

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