Bis jetzt hat das geldpolitische Feuerwerk der EZB kaum Effekte gezeigt. Mario Draghi gibt sich dennoch zuversichtlich.
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Frankfurt. Dass das Direktorium der Europäischen Zentralbank (EZB) unter Mario Draghi vor vier Wochen eine unkonventionelle und mutige Entscheidung getroffen hat, gilt als ziemlich unbestritten. Mit der Senkung des Leitzinses auf ein historisches Tief von 0,15 Prozent flutete die EZB die Märkte mit billigem Geld. Zusätzlich wurde ein Strafzins für Banken eingeführt, die ihr Geld lieber im sicheren Hafen der EZB bunkern, als es an die Unternehmen weiterzureichen.
Mit dem massiven Lockerungspaket sollte einerseits die drohende Deflationsgefahr in der Eurozone gebannt werden, anderseits erhoffte man sich eine Ankurbelung der vor allem in den Peripherieländern stagnierenden Kreditvergabe. Doch auch wenn die EZB bei ihrer Zinssitzung am 5. Juni aus allen Rohren gefeuert hat, blieben Erfolgsmeldungen bisher aus. Die Inflation im Euro-Raum blieb auch im Juni bei 0,5 Prozent und damit weit unterhalb der 2- Prozent-Marke, bei der die Frankfurter Währungshüter die Preisstabilität gewährleistet sehen. Gleichzeitig stagniert die Kreditvergabe in den meisten Ländern der Eurozone nicht nur, sie geht sogar zurück.
Bei der Zinssitzung am Donnerstag versuchte Draghi dementsprechend zu beschwichtigen. "Unsere Maßnahmen werden nach und nach greifen und dazu beitragen, dass die Inflationsrate sich wieder 2 Prozent annähert", sagte der Italiener. Man beobachte zudem bereits eine geringfügige Erholung der Wirtschaft und gehe davon aus, dass die im Juni beschlossenen Schritte während der nächsten Monate zu einer Entspannung der Lage beitragen und die Kreditvergabe stimulieren würde. Die EZB könne und solle nicht jeden Monat handeln, sagte Draghi.
Den Leitzins beließ die EZB dementsprechend auf dem rekordniedrigen Niveau von 0,15 Prozent - eine Entscheidung, die angesichts des Feuerwerks im Juni von den meisten Experten so erwartet worden war.
Wie schon so oft in den vergangenen Jahren betonte Draghi aber auch diesmal, die EZB sei bereit zu handeln, wenn es nötig ist. Der EZB-Rat "sei sich einig, dass man im Fall einer weiterhin niedrigen Inflation, zusätzliche Schritte setzen würde", erklärte Draghi. So könnten unglückliche geopolitische Entwicklungen einen negativen Effekt auf die zaghafte Genesung der Wirtschaft haben, etwa durch steigende Energiepreise oder ein Nachlassen in der Nachfrage nach europäischen Produkten.
Als eine mögliche Option für die Zukunft sieht Draghi dabei den Kauf von Kreditverbriefungen (Asset Backed Securities/ABS). Diese Papiere waren vor allem als Mitverursacher der US-Finanz- und Immobilienkrise in Verruf geraten, doch aus Sicht der EZB sind auch sie ein Mittel, um die Kreditvergabe anzukurbeln. Konkret könnte die EZB gezielt ABS-Pakete kaufen und so Geschäftsbanken entlasten, die dann Freiräume für neue Kredite hätten.
Möglich wären als wohl letztes Mittel auch breit angelegte Wertpapierkäufe nach Vorbild der US-Notenbank Fed. Vor allem Frankreich hatte sich zuletzt für das sogenannte Quantitative Easing starkgemacht. In Europa ist die Maßnahme allerdings umstritten, weil sie vielen Ländern als Staatsfinanzierung durch die Hintertür gilt.
Zinssitzung alle sechs Wochen
In jedem Fall wird die EZB ihre geldpolitischen Entscheidungen aber mit längeren Intervallen versehen. Der EZB-Rat werde sich ab Jänner nur noch alle sechs Wochen zu einer Zinsentscheidung treffen, kündigte Draghi auf der Pressekonferenz am Donnerstag an. Alle vier Wochen sei "einfach zu häufig".
Die EZB übernimmt damit denselben Rhythmus wie die US-Notenbank Federal Reserve. Draghi betonte, dass es aber keine Koordinierung zwischen den beiden wichtigsten Zentralbanken der Welt gebe. Bislang treffen sich die Hüter des Euro alle zwei Wochen und entscheiden immer am ersten Donnerstag im Monat über ihren geldpolitischen Kurs.
Von den Sitzungen sollen ab Januar auch Protokolle veröffentlicht werden - hier folgt die EZB ebenfalls dem Vorbild der Fed. Dass die EZB für ihre Sitzungen von den dichten Intervallen Abstand nimmt, "könnte man so interpretieren, dass die EZB befindet, dass mittlerweile genug Ruhe an den Kapitalmärkten eingekehrt ist", erklärte die Devisenexpertin Jana Meier von HSBC Trinkhaus.
Dow Jones knackt 17.000-Punkte-Marke
Die US-Börsen sind am Donnerstag mit freundlicher Tendenz in den verkürzten Handelstag gestartet. Erstmals in der Geschichte erreichte der Dow Jones Industrial 17.000 Punkte.
Die Ursache dafür ist hauptsächlich ein unerwartet positiver Arbeitsmarktbericht. Amerikanische Unternehmen schufen im Juni dieses Jahres 288.000 neue Arbeitsplätze außerhalb der Landwirtschaft. Gerechnet hatte man im Vorfeld nur mit 215.000. Zusätzlich sank die Arbeitslosigkeit in den USA von 6,3 Prozent im Vormonat auf nur 6,1 Prozent. Damit erreicht sie ihren niedrigsten Stand seit Herbst 2008.
Doch nicht nur der Arbeitsmarkt, auch andere Daten lassen eine kräftige Konjunkturerholung in der zweiten Jahreshälfte erwarten - nach dem Dämpfer zum Jahresbeginn durch den harten Winter. Diese Einschätzung stützten jüngst etwa der solide Anstieg der Autoabsätze und der stetige Aufwärtstrend in der Industrie.
"Die USA hat die Wachstumsschwäche des ersten Quartals klar hinter sich gelassen und die Erholung nimmt wieder tüchtig Fahrt auf", erklärte ein Aktienhändler.
Die guten Arbeitsmarktdaten nährten an den Börsen auch Spekulationen über die Reaktion der US-Notenbank Fed. Der Leitzins liegt seit Dezember 2008 bei nahe null Prozent. Die meisten Analysten gingen bislang davon aus, dass die Fed frühestens Mitte 2015 damit beginnen wird, ihn wieder anzuheben. Die Experten von JPMorgan erwarten nun bereits für das dritte Quartal kommenden Jahres mit diesem Schritt, nachdem sie bisher das vierte Quartal im Blick hatten.