Im US-Bundesstaat Pennsylvania fristet seit mehr als 18 Jahren der Häftling Mumia Abu-Jamal sein trauriges Dasein in einem Todestrakt. Die 1995 anberaumte Vollstreckung des Todesurteils ist zunächst auf unbestimmte Zeit ausgesetzt worden. Dieser Entscheidung war ein weltweiter Proteststurm vorangegangen. Die internationale Solidarität mit dem Journalisten, der im Gefängnis weiterhin seiner schriftstellerischen Profession nachgeht, ist nach wie vor ungebrochen.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 23 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Der afroamerikanische Todeskandidat Mumia Abu-Jamal ist der weltweit bekannteste Insasse einer Todeszelle. Vor allem in Amerika und Afrika, aber neuerdings auch in Europa, setzen sich immer mehr Menschen für ihn ein.
Seine Verurteilung erfolgte im Jahr 1982 in einem Prozess, der von Kritikern als "Farce" bezeichnet wird und bei dem es eine Reihe von Ungereimtheiten gegeben hatte. Dem Angeklagten war damals ein Polizistenmord vorgeworfen worden, den er bis heute bestreitet begangen zu haben.
1981 war Abu-Jamal in Philadelphia von einem Taxi aus Zeuge, wie sein Bruder von einem Polizisten misshandelt wurde. Als er diesem zu Hilfe eilte, kam es zu einem Tumult, bei dem mehrere Schüsse fielen, die den Polizisten tödlich trafen und Abu-Jamal schwer verwundeten. Angeblich hatten sich am Tatort noch weitere Personen befunden, die aber vor dem Eintreffen der Polizei flüchten konnten. Unter ihnen soll auch der Todesschütze gewesen sein.
Im Vorfeld des Prozesses erfolgte eine Medienkampagne, bei der Abu-Jamal als brutaler "Cop Killer" vorgeführt wurde. Weil sich der Angeklagte keinen Anwalt leisten konnte, stellte er den Antrag, sich selbst verteidigen zu dürfen, was der Richter aber ablehnte. Stattdessen nominierte er einen Pflichtverteidiger, der für einen derart brisanten Fall noch viel zu unerfahren war. Am Ende des ungewöhnlich kurzen Prozesses stand das Todesurteil. Die Berufung Abu-Jamals hat der Oberste Gerichtshof von Pennsylvania 1989 verworfen.
Beanstandet wird heute nicht nur die Missachtung der zahlreichen Widersprüchlichkeiten durch das Gericht. Für Menschenrechtsorganisationen, unter ihnen Amnesty International, ist dies auch ein Musterfall, der den oftmals erhobenen Vorwurf bestätige, wonach die US-Justiz rassistisch sei. Dies sei zudem durch die Tatsache bewiesen, dass die überwiegende Mehrheit der Todeskandidaten Afroamerikaner sind.
Bürgerrechtsbewegung
Abu-Jamal hatte sich bereits in seiner Jugend im Rahmen der schwarzen Bürgerrechtsbewegung in den USA politisch betätigt. Infolgedessen soll er auch schon sehr früh mit brutalen Polizeimethoden Bekanntschaft gemacht haben.
Solch unliebsame Erlebnisse sollen ihn späterhin veranlasst haben, in Philadelphia eine Ortsgruppe der "Black Panther Party" ins Leben zu rufen. Die Black Panthers forderten damals das Recht auf wirksamen Schutz für die afroamerikanische Bevölkerung, wobei auch die bewaffnete Selbstverteidigung propagiert wurde. Bei dieser Organisation erwarb Abu-Jamal auch das Rüstzeug für seine spätere journalistische Karriere. Mit seinen Beiträgen, die vorrangig Belange der afroamerikanischen Bevölkerung thematisierten, machte er sich viele Feinde. Unter anderem attackierte er darin immer wieder die Polizei sowie die Stadtregierung von Philadelphia.
Wegen seiner politischen Vergangenheit lag der Polizei zum Zeitpunkt seiner Verhaftung bereits ein Aktenkonvolut vor, das dem Vernehmen nach mehrere hundert Seiten umfasste. Angeblich soll die Polizei zuvor vergeblich versucht haben, ihn zu kriminalisieren. Als Abu-Jamal schließlich in den verhängnisvollen Tumult involviert wurde, habe sich den Behörden die Gelegenheit geboten, einen unbequemen Kontrahenten dingfest zu machen, der oft genug in diversen Medien ihrem Ruf geschadet hatte, behaupteten kritische Stimmen nach dem Prozess.
In der Todeszelle geht Abu-Jamal weiter seiner schriftstellerischen Profession nach. Unter anderem verfasste er bereits zahlreiche Beiträge für amerikanische und europäische Zeitungen. Auch ist es ihm gelungen, aus der Todeszelle heraus ein Buch mit dem Titel "Live from Death Row" zu veröffentlichen, worin er von den tristen Zuständen des Gefängnisalltags und speziell von der Dynamik in einem Gefängnis mit Todeskandidaten erzählt.
Eigentlich hätte die Hinrichtung bereits 1995 vollstreckt werden sollen. Der Vollstreckungsbefehl ist jedoch vom zuständigen Richter zunächst auf unbestimmte Zeit ausgesetzt worden. Eine große Solidaritätskampagne war dieser Entscheidung vorangegangen.
Solidarität wächst
Die internationale Solidarität mit dem Häftling, der aufgrund des Vollstreckungsaufschubs noch keineswegs als gerettet anzusehen ist, hält weiterhin an und wächst. Seit einigen Jahren ist der Fall Abu-Jamal stark im Internet präsent. Im World Wide Web gibt es neben einer Unzahl von Einträgen zum Thema Todesstrafe jede Menge Links zu Abu-Jamal.
Literaturhinweis: Mumia Abu-Jamal: ...aus der Todeszelle - Live from Death Row. Atlantik Verlag, Bremen 2000. Preis: 280 Schilling.