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Warum Bio schmeckt und gesund ist

Von Beatrix Schönfeld-Pfennigbauer

Wirtschaft

Nach jahrelangem Tauziehen ist endlich ein Tierschutzgesetz geschaffen worden, das auch die Möglichkeiten für eine artgerechte Tierhaltung verbessert. Bio-Bauern verfolgen dieses Ziel seit langem. Sie können dem Gesetz allerdings nur wirklich Wirkung verschaffen, wenn die Konsumenten mithelfen - also österreichischen Produkten aus biologischer Landwirtschaft den Vorzug gegenüber Billigprodukten aus dem Ausland geben.


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Alberta Velimirov vom Ludwig-Boltzmann-Institut für Biologischen Landbau und der Risikoforscher Werner Müller haben mehr als 170 internationale Untersuchungen ausgewertet und sind zu dem eindeutigen Ergebnis gekommen, dass Lebensmittel aus Bio-Landwirtschaft die Lebensqualität erheblich verbessern. In einer Studie erfolgte die Umstellung auf Bio-Produkte in einem Kloster. Die Untersuchungspersonen berichteten von einer deutlichen Abnahme körperlicher Beschwerden und bei einer Blutuntersuchung konnte eine signifikante Erhöhung körpereigener natürlicher "Killerzellen" zur Abwehr von Viren festgestellt werden.

Gesund für Mensch . . .

Dieses Ergebnis deckt sicht mit einer älteren Studie an Schülern in einem Internat in Neuseeland, die drei Jahre lang ausschließlich biologisch ernährt wurden. Die Anfälligkeit der Schüler für Erkältungskrankheiten sank erheblich, die Rekonvaleszenz erfolgte rascher, Hautprobleme verminderten sich, ebenso der Befall von Karies an den Zähnen.

Auch die Muttermilch von Frauen, die sich biologisch ernähren, weist höhere Anteile an Omega-3-Fettsäuren und mehrfach ungesättigten Fettsäuren auf. Bei Männern bewirken biologische Nahrungsmittel eine um 30 Prozent höhere Spermienkonzentration; Wein- und Obstbauern aus dem Weinviertel, die fünf Jahre lang keinen Pestiziden (chemische Pflanzenschutzmittel) ausgesetzt waren, hatten mobilere Spermien als die Vergleichsgruppe konventioneller Bauern.

. . . und Tier

Auch Tiere bevorzugen Bio-Getreide. Bei Futterwahlversuchen bevorzugten Hühner, Kaninchen und Ratten biologisches Gemüse und Getreide. Ihre Fruchtbarkeit war erheblich gesteigert (auch bei Zuchtstieren), die Samenqualität verbessert, es gab weniger Totgeburten und ein höheres Durchschnittsgewicht der Würfe. Hingegen zeigen Fütterungsversuche mit ionisierten, (radioaktiv) bestrahlten Lebensmitteln negative Effekte wie weniger Nachkommen, verfrühten Tod, Totgeburten und erhebliche Schädigungen der Organe.

Daher ist im Biolandbau die Bestrahlung von Obst und Gemüse strikt untersagt. Ein wesentlicher Faktor des biologischen Pflanzenbaus ist ein humusreicher Boden, der mit hofeigenen organischen Produkten wie Stallmist, Kompost und Grün-Dung gedüngt wird. Leichtlösliche Mineraldünger sind verboten, ebenso Anbau von Gemüse auf Steinwolle, Hydrokultur und ähnliche Verfahren. Die Unkrautregulierung erfolgt thermisch, mechanisch oder per Hand, intensiver Vogelschutz fördert Nützlinge, also Insekten zur Schädlingsbekämpfung.

Geschmackserlebnis

Durch den natürlichen Landbau werden die Produkte nicht nur gesünder, sie schmecken auch besser, weil der chemisch-synthetische Eingriff in das Wachstum der Pflanzen eine Verwässerung der Geschmacksintensität bewirkt. Genauso verhält es sich bei tierischen Produkten.

Wie schon erwähnt, bevorzugen Tiere biologische Gemüse und Getreide. Daher sind Fleisch und Milch von Wiederkäuern reich an konjugierter Linolsäure, der ein krebshemmendes und antiarteriosklerotisches Potenzial zugeschrieben wird; bei Rindern und Schafen in Weidehaltung wird der Gehalt von Omega-3-Fettsäuren auf das Vierfache erhöht. Der in konventioneller Masttierhaltung übliche Einsatz von Kraftfutter ist bei der Bio-Fütterung streng limitiert, um die Enstehung von Aflatoxinen - ein Pilzgift mit krebserregender Wirkung - in der Milch zu verhindern. Ein Weidegang oder befestigter Auslauf an mindestens 200 Tagen im Jahr ist vorge-schrieben. Obendrein muss den Tieren eine ausreichende Stallfläche mit Einstreu zur Verfügung stehen. Verboten sind auch Fütterung von Tierkörpermehlen (sie gelten als Überträger von BSE), Milchaustauscher und Medikamentenbeigabe. Anpassungsfähige und vitale Rassen werden bevorzugt, und wenn ein Tier erkrankt, wird zuerst mit homöopathtischen Methoden behandelt. Wenn allerdings der Einsatz von schulmedizinischen Medikamenten erforderlich ist, muss die doppelte Wartefrist vor der Schlachtung eingehalten werden, ehe Fleisch, Milch oder Eier in den Verkehr gebracht werden dürfen.

Ähnlich verhält es sich bei den Schweinen. Auch ihnen muss eine Stallfläche mit Einstreu zur Verfügung stehen, die den Tieren die Möglichkeit zur Bewegung gibt - was sich nur positiv auf die Fleischqualität auswirkt. Auch Schweine genießen einen Auslauf ins Freie und besonders eine Suhle, inder sie sich wohlig wälzen. Bei Hühnern ist nach eingehenden Untersuchungen die Haltung von besonderer Bedeutung. Der Vitaminanteil und das Dottergewicht von Eiern biologisch gefütterter Hennen in Freilandhaltung ist erheblich grösser als von konventionell in Käfigen gehaltenen, bewirkt durch die Aufnahme von frischem Grünfutter.

Problematische Hühner

Laut Gesetz sollte einem Freilandhuhn eine Fläche von mindestens 10 m² zur Verfügung stehen. Da aber für eine rentable Bewirtschaftung tausend und mehr Hühner gehalten werden müssen, ist die Bereitstellung eines so großen Areals und auch die Reinigung von Nitrat-angereicherten Fäkalien, die das Grundwasser belasten, problematisch. Üblicherweise wird die genutzte Fläche nach etwa 12 Monaten, wenn die Legehennen zum Schlachthof gebracht wurden, abgemäht und gründlich gereinigt, der entstandene Mist kompostiert und wegen seiner Schärfe erst nach mehr als einem Jahr zur Düngung verwendet. Auch ist das Huhn kein Herdentier und lebt in seiner Wildform noch heute stationär in kleinen Gruppen von 10 bis 12 Hennen und einem Hahn.

Bei intensiver Haltung selbst im Freiland wächst die Aggression der Tiere, denn das individuelle Wiedererkennungsvermögen ist begrenzt und ab 50 Tieren die "Hackordnung" vorprogrammiert. Verluste von 12 bis 20 Prozent des Bestandes und Kanibalismus sind keine Seltenheit und das Kupieren der Schnäbel üblich. Bei Freilandhaltung steigt die Infektionsgefahr. Besonders Kokzidien, die Darm und Leber befallen, schwächen die Tiere erheblich; sie werden mit der Nahrung aufgenommen, die mit Fäkalien der Tiere vermischt ist.

Eine interessante Entwicklung ist Landwirten aus Niederösterreich in Zusammenarbeit mit Geflügeltierärzten und Stallbaufirmen geglückt: Ein Legehennenstall, der den Grundbedürfnissen wie Scharren, Erklimmen einer Sitzstange und ein abgedunkeltes Legenest ermöglicht. So ein "Modul" misst etwa 2 mal 3 m und beherbergt 12 bis 15 Hennen. Die Haltung ist äußerst hygienisch und pflegeleicht, die Beseitigung von Fäkalien erfolgt am Fließband und weder Nahrung noch Eier kommen damit in Berührung. Da auch diese Haltung noch nicht den Erfordernissen des neuen Tierschutzgesetzes entspricht, wird an der Möglichkeit eines Auslaufes gearbeitet.

Tiere sollen stressfrei sterben

Die Lebensumstände der Tiere haben sich durch intensive Aufklärung im Laufe der letzten Jahre erheblich verbessert, doch auch ihr Tod, der unserer Nahrung dient, sollte möglichst stressfrei, ohne die damit verbundene Hormonausschüttung und Qualitätsminderung des Fleisches, erfolgen.

Dazu Michael Gneist, Amtstierarzt im Amt der NÖ Landesregierung: "Ich habe im Zuge meiner Doktorarbeit zahlreiche Schlachthöfe mit Schwerpunkt NÖ besucht und bin auf katastrophale Zustände gestoßen. Defekte Betäubungsgeräte, verunreinigte und falsch angebrachte Rampen zum Entladen der Tiere, was zu Beinbrüchen und sonstigen Verletzungen führten, keine Möglichkeit der Versorgung verletzter Tiere. Auch die Fahrzeuge zur Anlieferung waren vielfach unzulänglich und für die Tiere selbst bei kurzen Fahrten eine erhebliche Belastung", schildert Gneist. Aufgrund seiner Recherchen startete er 1999 in Zusammenarbeit mit den Kammern österreichweit ein intensives Aufklärungsprogramm. "Von den Tierärzten bis zum Schlachtgehilfen ist es gelungen, ein neues Verständnis und Verantwortungsbewusstsein zu wecken. Heute sind die Zustände erheblich durch laufende und genaue Kontrollen verbessert. Der Konsument kann sicher sein, dass das Tier schmerzfrei geschlachtet wurde und das Fleisch frei von medikamentösen Rückständen ist", zeigt sich der Veterinär überzeugt. Der Grund dafür: "Das Netz ist dicht - Proben von Muskel und Harn sind vorgeschrieben. Sollten Verfehlungen festgestellt werden, wird der Schlachthof für 1 Jahr gesperrt und das bedeutet den Ruin des Betreibers."

Immer weiter verbreitet ist laut Gneist die Hofschlachtung. "Viele Bauern haben ihren eigenen Schlachthof nach den gesetzlichen Bestimmungen eingerichtet. Hier entfällt der Transport, das Tier bleibt am vertrauten Hof mit vertrauten Menschen und empfindet keine Beunruhigung", beschreibt er die Vorteile.

Bei der Schlachtung von Legehennen gibt es laut Holger Herbrüggen, Amtstierarzt für Wien und Umgebung, größere Probleme: "Leider gibt es in Österreich nur einen Schlachthof in der Nähe von Amstetten. Dorthin werden alle Legehennen, unabhängig von der Qualität ihrer Haltung, gebracht. Bei Überlastung oder günstigeren Konditionen weichen die Transporteure auch zu Schlachthöfen in Deutschland aus. Dort werden die etwa einjährigen Hennen lebend an einem Fließband an den Hinterbeinen aufgehängt, in einem Strombad betäubt und mit Durchschnitt der Halsschlagader getötet. Die Vorgangsweise erfolgt automatisch", erzählt er über die fabriksmäßige Vorgehenweise. Eine "ausgediente" Legehenne hat einen Wert von 10 Cent und entspricht einem Suppenhuhn, das vor allem als Tiernahrung Verwendung findet. Anders seit die Situation bei Hühnern, die im Handel angeboten werden und als Back- oder Brathuhn Gaumenfreuden schenken. Sie werden schon mit fünf Wochen in der Farm oder - "optimal", wie Herbrüggen meint - beim Bio- Bauern geschlachtet.

Bauern unterstützen

Auch Michael Aufhauser vom paradiesischen Gut Aiderbichl, der sich die Erhaltung einer wert- und lebensgerechten Landwirtschaft zum Ziel gesetzt hat, sagt zum Thema Bio: "Wenn in den Super-märkten Produkte unserer Bauern wie Milch oder Fleisch zu Schnäppchen gemacht werden, dann zeigt dies die bedenkliche Situation der Landwirtschaft. Die Sorge der Bauern, unter Preisdruck Lebens-mittel verkaufen zu müssen, ist angebracht. Das heißt: Hände weg von Aktionspaketen! Nur so ist es möglich, qualitativ hochwertiges Fleisch, Milch oder Eier von artgerecht gehaltenen und ohne Qual getöteten Tieren auch in Zukunft konsumieren zu dürfen." Doch Qualität hat ihren Preis, merkt Aufhauser an: "Es ist unsere Pflicht, die Bauern zu unterstützen und ihrer Aufgabe mit Interesse zu begegnen. Gerade jetzt, wo viele durch das neue Tier-schutzgesetz mit schweren finanziellen Belastungen zu kämpfen haben, Belastungen, die uns als Konsumenten zu Gute kommen, dürfen wir die Bauern nicht im Stich lassen." Und er hat noch einen Tipp: "Auch am Rande der Großstädte gibt es Höfe, wo Tiere gehalten werden. Ein Besuch lohnt immer und ein Gespräch ist für beide Teile nützlich."

Bio-Landwirtschaft

Bio-Landwirtschaft ist eine umweltgerechte, sozial- und gesundheitsverträgliche Form der Landbewirtschaftung. Ihr Ziel ist neben der Produktion von wohlschmeckenden, naturbelassenen Lebensmitteln auch die Erhaltung einer gesunden Umwelt. Das bedeutet Verzicht auf chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel und leicht lösliche mineralische Düngemittel zur Erhaltung der Bodengesundheit, Fruchtbarkeit durch schonende Bodenbearbeitung, natürliche Dünger und ausgewogene Fruchtfolge; ebenso Verzicht auf Gentechnik in allen Bereichen und artgerechte Tierhaltung mit ausschließlich biologischem Futter. Dadurch vermindert sich das Risiko von Pflanzenschutzmittelrückständen in den Produkten erheblich, der Biolandbau ver-braucht durch Kreislaufwirtschaft (möglichst kein Zukauf von Futtermitteln, Einsatz von hofeigenem Dünger und Verzicht auf mineralische Düngemittel) nur ein Drittel fossiler Energie pro Hektar und schont das Grundwasser.