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Warum das Fremde polarisiert

Von Fabian Kretschmer

Politik
Negative Projektionen belasten auch die Ehe von Margarethe(Danielle Elfaye) und Alexander (David Ketter).

Ein Schauspieler durchforstete zwecks Erarbeitung der Rolle serbische Lokale.


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Wien. Ein politisches Statement wollte er mit seinem Theaterstück "Das Fremde" nicht machen, sondern das Thema Integration ganz grundsätzlich betrachten, erzählt Marcus Josef Weiss der "Wiener Zeitung". Zurzeit wird sein Stück im Rahmen der zweiten Wiener Integrationswoche im Blackbox Theater aufgeführt. Ein "Beitrag zur Bewusstseinsbildung" sei sein Projekt, meint Weiss. Der 36-Jährige betrachtet Diversifikation und Integration sowohl als dunkelsten Schatten als auch als größte Chance des 21. Jahrhunderts. "In ganz Europa wird das Thema zurzeit sehr polarisierend diskutiert. Mich interessiert: Wo kommt das her? Und den Zusammenhang herzustellen: Was ist mein persönlicher Bezug dazu", fragt Weiss. Er kritisiert, dass es zu einem der dominantesten Gefühlsgewohnheiten heute geworden ist, Fremden mit Angst oder Hass zu begegnen.

Insgesamt sechs Personen, allesamt archetypische Repräsentanten der Gesellschaft mit unterschiedlichem sozialen Hintergrund, werden im Laufe der Handlung gezwungen, sich dem Fremdartigen in all seinen Variationen zu stellen. So wird zum Beispiel ein vermeintlicher "Gutmensch" aus Österreich mit einem aus Serbien Zugezogenen konfrontiert und eine homosexuelle Frau trifft auf einen auf den ersten Blick chauvinistischen Mann. Die Themenpaare In- und Ausländer, hetero- und homosexuell, normal und abwegig, frei und gebunden werden symbolhaft in dem Theaterstück durchgespielt.

Reagieren die Charaktere anfangs noch mit Furcht und Aggression, so wachsen sie schließlich an der Begegnung mit dem Anderen. Sie stehen vor der Entscheidung: Einbindung oder Ausgrenzung? Häufig ist Unkenntnis der Grund für Ablehnung.

Tomas Nikolic etwa, ein junger Serbe, der erst seit kurzem in Österreich lebt, fühlt sich ausgegrenzt und rechnet auch von vornherein damit, als Ausländer immer ausgegrenzt zu werden. Ein österreichischer Freund ermutigt ihn dennoch, den Kontakt zu suchen. Im Café wird Nikolic daraufhin von einem Mädchen harsch zurückgewiesen. Er führt das auf sein Ausländersein zurück, dabei war sie gerade verärgert, weil jemand mit ihr Schluss gemacht hat. Im Gespräch klären beide das Missverständnis. Satirisch aufs Korn genommen wird die Integrationsdebatte in einem Gespräch zwischen zwei Frauen über ihre Rattenaufzucht. Ob sich die neue Ratte wohl integrieren wird, fragen sich beide.

Im Stück wird kein konkreter Handlungsort genannt, dabei ist die Geschichte für den gebürtigen Niederösterreicher Marcus Josef Weiss ein klassisches Wiener Thema. "Ich liebe diese Stadt für ihre Vielfalt. Dieses Konglomerat aus verschiedenen Einflüssen ist genau das, was mich auf einer unbewussten Ebene sehr inspiriert", meint er. "Mich interessieren vor allem Städte, wo vieles zusammenkommt." Den "klassischen" Wiener gäbe es ja schließlich nicht, wie der Blick ins Telefonbuch zeigt. Der weit verbreitete Fremdenhass, der sich auch in Wahlplakaten regelmäßig niederschlägt, erstaunt den Autor aber immer wieder auf Neue.

Weiss, Direktor der Open Acting Academy, hat das Stück mit Schauspielstudenten inszeniert, die kurz vor dem Diplom stehen. Er übernahm Regie, Produktion und Buch. Geholfen habe ihm, dass er selber als Schauspieler begonnen hat: "Ich weiss genau, was beim Spielen hilft, damit man sich wohler fühlt."

Den Serben Tomas Nikolic spielt der Schauspielstudent Stefan Ried. Die Rolle ist grob vom Erfinder, Physiker und Elektroingenieur Nikola Tesla inspiriert. Der slawische Akzent von Stefan Ried wirkt so authentisch, dass man die Herkunft des 33-jährigen ebenfalls in Osteuropa verorten würde. Doch Stefan Ried ist waschechter Weinviertler.

Für die Erarbeitung der Rolle streifte er gemeinsam mit dem Autor durch den 15. Wiener Gemeindebezirk, klapperte Lokale und Beisl ab um so die Sprache, das Auftreten und die Mentalität der serbischen Community aufzuschnappen. Ried musste als Schauspielstudent zuerst lernen, in astreinem Bühnen-Hochdeutsch zu sprechen. "Für mich war es fast schwieriger, vom Weinviertler Klang loszukommen, als mir jetzt neue Sprachfärbungen anzueignen", meint er.

Eigenwilliges Klang-Konzept

Eine besondere Rolle kommt im ganzen Stück auch dem Akustischen zu. Auch die Musik stammt von Marcus Josef Weiss, der bereits Bühnenstücke, Lyrikabende und Fernsehfilme vertont hat. Seit längerem befasst er sich mit verschiedensten Klangschwingungen. "Ich merke, wann wo welche Körperregionen angesprochen werden", erzählt er. Jedes menschliche Organ habe eine spezifische Frequenz, bei der es mitschwingt. "Das ist nicht nur ein kreativer Prozess, sondern auch Arbeit - für jede Szene die richtige Klanguntermauerung zu finden", meint der Regisseur. "Für mich ist das, was ich sehe und das, was akustisch im Raum schwingt, eine Einheit." Sein Konzept geht auf: Im Blackbox Theater, das seinen Namen von den komplett schwarzen inneren Wänden hat, entsteht durch die Symbiose aus Schauspiel, Tanz und Gesang eine dichte Atmosphäre.

Auch wenn das Stück nicht direkt auf aktuelle politische Debatten eingeht, würde Marcus Josef Weiss schon gerne wissen, wie Politiker zu seinem Stück stehen. Am Abend der Premiere waren zumindest zwei von ihnen anwesend: Barbara Neurotz, stellvertretende Bezirksvorsteherin Wieden und Manfred Itzinger, Klubobmann "Die Grünen" Wieden.