Politische Fehler des Premiers. | Fremdenfeindlichkeit als Programm. | Er hat wohl an einen "Sturm im Wasserglas" geglaubt. Der dänische Ministerpräsident Anders Fogh Rasmussen lehnte im November 2005 ein Treffen mit den Botschaftern muslimischer Staaten ab, die sich über die Mohammed-Karikaturen in der Zeitung "Jyllands-Posten" beschweren wollten. Er verwies sie auf den Gerichtsweg.
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Eine Anzeige nach dem Blasphemie-Paragraphen verlief allerdings im Sande. Am 6. Jänner stellte die Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Die letzte Verurteilung nach diesem Gesetz gab es 1938 - dänische Nationalsozialisten wurden wegen Antisemitismus schuldig gesprochen. Rasmussen hatte zuvor noch einmal die Meinungsfreiheit verteidigt.
Der Premier hatte die Affäre vermutlich lediglich für eine weitere Facette in der Diskussion um die dänische Ausländerpolitik gehalten, die als eine der härtesten Europas gilt. So ist zum Beispiel der Zuzug von Einwanderern stark eingeschränkt, Sozialhilfe und die Möglichkeiten der Familienzusammenführung wurden zurück geschraubt. Sogar Heiraten ist Ausländern erst erlaubt, wenn beide Partner älter als 24 Jahre alt sind und Einkommensnachweise erbringen.
Vorangetrieben wurde diese Entwicklung vor allem von der Dänischen Volkspartei (DVP), die seit 2001 die Minderheitsregierung von Rasmussens liberaler Vrenske-Partei und der Konservativen Volkspartei stützt. DVP-Politiker machten Fremdenfeindlichkeit gesellschaftsfähig. Eine Bürgermeisterkandidatin von Kopenhagen meinte kürzlich, eine integrative Ausländerpolitik gleiche dem Versuch, "Krebszellen zu gesunden Körperzellen machen zu wollen".
Kleinlauter geworden
Diese Volkspartei wurde für ihre Politik just von "Jyllands-Posten" gelobt: Sie habe "ungehinderte Zuwanderung durch fremde Kulturen und unproduktive Sozialhilfeempfänger" bekämpft. Und immer wieder stach die mittlerweile größte Zeitung Dänemarks durch ähnliche Stellungnahmen zur Ausländerpolitik und zum Islam hervor. Die Dänen sahen ihr Land bisher gerne als Hort der Toleranz, als Zuflucht für Asylsuchende und als Helfer in Krisengebieten und Entwicklungsländern. Vielen Dänen wird erst jetzt schmerzlich bewusst, dass sich mittlerweile ein anderes Bild zeichnen lässt.
Die Flut der Empörung, die nun aus den islamischen Ländern über die fünf Millionen hereinbricht, hat Land und Zeitung kleinlauter gemacht. Hätte er um die Folgen gewusst, hätte er die Zeichnungen nie veröffentlicht, meinte der Chefredakteur. Auch der Premier hat sich distanziert.
Die "Neue Zürcher Zeitung" führte diese Wende unlängst in einem Kommentar darauf zurück, dass die Pressefreiheit nur so lange verteidigt werde, so lange sie nichts kostet. Wirtschaftliche Schäden gibt es schon: Allein die Lebensmittelkette Arla Foods verzeichnet durch Boykotte Verluste von 1,3 Millionen Euro pro Tag.