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Warum der Außenhandel nicht allein die Schuld trägt

Von Ioana Lungu

Gastkommentare
Ioana Lungu ist Volkswirtin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Höhere Studien in Wien.Eine detaillierte Fassung dieses Textes ist alsPolicy Brief bei der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik (ÖGfE)erschienen: www.oegfe.at/policybriefs. Alle Beiträge dieserRubrik unter:www.wienerzeitung.at/gastkommentare

Es ist Zeit für einen Paradigmenwechsel in der Debatte um Entwicklung in Afrika.


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Das Narrativ in westlichen Medien zu Afrika und der EU kreist oft um dieselben Themen. Einmal sind es die billigen Importe aus der EU, die die Lebensgrundlagen von armen Bauern zerstören, dann sind es wieder Land-Grabbing Fälle, die von Großkonzernen illegal vorangetrieben werden. Die Realität ist oft nuancierter.

Was den Außenhandel betrifft, sind die Abkommen zum Vorteil der afrikanischen Partner konzipiert. Im Rahmen der sogenannten Economic Partnership Agreements erhalten afrikanische Exporte vollen Zugang zum EU Markt, ohne sensible Wirtschaftssektoren liberalisieren zu müssen. Tatsächlich ist die Handelsbilanz, was Agrarprodukte angeht, negativ für die EU: Sie importiert mehr aus Afrika, als sie dorthin exportiert. Allerdings sind diese Importe mehrheitlich unverarbeitete Rohstoffe. Afrikanische Länder hingegen importieren oft die verarbeitete Version desselben Produkts: Kakao-Exporte werden so zu Schokolade-Importen.

Dass afrikanische Länder von den handelspolitischen Vorteilen, die ihnen zustehen, nicht Gebrauch machen, hängt mit strukturellen Schwächen zusammen. Erstens ist ihr Agrarsektor technologisch immer noch rudimentär. Zweitens sind ihre Institutionen oft vom Postkolonialismus geprägt.

Man kann zwischen inklusiven und extraktiven Institutionen unterscheiden. Erstere, wie beispielsweise sichere Eigentumsrechte über Land, sorgen für wirtschaftliche Entwicklung, während Letztere, wie Preiskontrollen für Exporte, oft von europäischen Kolonialmächten eingeführt worden sind, um Ressourcen besser ausbeuten zu können. Nach Erlangung der Unabhängigkeit haben viele neu gegründete Staaten extraktive Institutionen übernommen. So konnten politische Eliten wie Ex-Präsident Siaka Stevens in Sierra Leone oder Robert Mugabe in Simbabwe ihre Macht über Jahrzehnte erhalten, indem sie die Entwicklung der Infrastruktur oder des Agrarsektors aktiv sabotierten. Im Übrigen ist die mangelnde Qualität der staatlichen Institutionen auch für das Phänomen Land-
Grabbing relevant: Die meisten solcher Deals werden von korrupten afrikanischen Eliten ermöglicht und gelten in den betroffenen Ländern nicht als verfassungswidrig.

Den Außenhandel mit Afrika zu stoppen, wäre wenig zielführend, da die EU Afrikas wichtigster Handelspartner ist. Aber es braucht Veränderung, damit der Handel nicht nur den Eliten zugutekommt. EU-Hilfsmittel könnten gezielt an junge Industrien umgeleitet werden, aber man darf nicht vergessen, dass es am Ende vom Empfänger abhängt, wie die Mittel eingesetzt werden. Handelsverträge können die Rechtsstaatlichkeit durch politische Konditionalität fördern, zum Beispiel im Rahmen des Cotonou-Abkommens.

Ein weiterer Fehler des aktuellen Entwicklungsparadigmas ist der Fokus auf NGOs: Es schwächt Staaten und umgeht sie letztendlich. So werden kleinformatige Projekte gesponsert, die sich zur landesweiten Entwicklung möglicherweise gar nicht eignen. Entwicklungszusammenarbeit sollte sich auf den Aufbau regierungsfähiger, demokratischer Institutionen konzentrieren, die gerade in der Beziehung zur EU dringend notwendig sind.