Ab heute arbeiten Frauen "gratis" - um bis Jahresende das gleiche Einkommen wie Männer zu erreichen.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 6 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Wien. Heuer findet der Equal-Pay-Day österreichweit am 20. Oktober statt. Das bedeutet, dass Frauen ab diesem Tag bis zum Jahresende, also 73 Tage, statistisch gesehen gratis arbeiten. Und zwar, um das Jahreseinkommen zu erreichen, das Männer schon bis 20. Oktober für ihre Arbeit als Lohn oder Gehalt erhalten haben.
Gewerkschaften, insbesondere die Frauen darunter, nutzen diesen Tag, um Maßnahmen zur Verringerung des Gender-Pay-Gap, also der Einkommensschere, einzufordern: Mit dabei sind kürzere Arbeitszeiten, bessere Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben, eine gesetzliche Anrechnung von Karenzzeiten, höhere kollektivvertragliche Mindestlöhne. "Die Gratisarbeit von Frauen wird einer modernen Arbeitswelt nicht gerecht und kann nicht länger toleriert werden", sagt zum Beispiel Korinna Schumann, ÖGB-Vizepräsidentin und Frauenvorsitzende.
Am Equal-Pay-Day melden sich auch die Angesprochenen, also jene, die für Frauenpolitik verantwortlich sind, geballt zu Wort. Auch Frauenministerin Juliane Bogner-Strauß (ÖVP) muss feststellen: "Die Lohnschere schließt sich, aber langsam." Sie plant mehr Einkommenstransparenz, Bewusstseinsbildung für eine partnerschaftliche Aufteilung der Kindererziehung sowie geschlechtersensible Berufsorientierung. Lob dafür gibt es nur vom Regierungspartner, in diesem Fall der Wiener FPÖ-Frauensprecherin Elisabeth Schmidt: "Die Bundesregierung setzt die richtigen Maßnahmen für Lohngerechtigkeit." Die Opposition versteht darunter Retropolitik.
Warum mit20 Prozent argumentieren
Es gibt aber auch jene, die den Unterschied kleinreden oder als Mythos wegargumentieren wollen, wie in den sogenannten sozialen Medien - etwa Beispiel Twitter - schon am Tag vor dem Equal-Pay-Day sichtbar ist. "Bullshit", sagen dazu die Vertreterinnen von Sorority. Das Frauennetzwerk hat deshalb unter dem Titel "No more Bullshit" ein "Handbuch gegen sexistische Stammtischweisheiten" solcher und ähnlicher Art herausgegeben. Es räumt mit Mythen von der karrieregeilen Rabenmutter über jenen, dass Frauen alle Türen offen stünden, bis hin zum Mann als starkem Geschlecht auf. Die Ökonominnen Katharina Mader und Erza Aruqaj argumentieren, worüber der Gender-Pay-Gap Auskunft gibt.
Es gibt verschiedene Werte, "aber jeder für sich beschreibt ein anderes Problem", sagt Mader. Jener zum Equal-Pay-Day zeigt zum Beispiel die Einkommensunterschiede bei Brutto-Vollzeit-Beschäftigten auf - die liegen heuer bei 19,9 Prozent und machen den 20. Oktober zum Tag der Tage. Im vergangenen Jahr war es mit 21,7 Prozent übrigens ein Freitag, der 13. Oktober. Auch der Unterschied bei den Stundenlöhnen liegt heuer übrigens bei rund 20 Prozent.
"Diese Werte beschreiben die Situation echter Menschen und strukturelle Probleme in der Gesellschaft. Da geht es nicht um statistische Messgrößen", sagt Mader. An diesem Wert ist auch der Erfolg von politischen Maßnahmen zu messen. "Der Pay Gap ist kein individuelles Problem."
37,9 Prozent beträgt der Unterschied der Einkommen von Frauen und Männern generell, inklusive Teilzeit. Warum also nicht damit argumentieren? "Weil das Argument dann gleich mit ‚Würden Frauen in Vollzeit arbeiten, gäbe es das Problem nicht‘ weggewischt wird", sagt Mader.
Um zu zeigen, was Frauen und Männer im Durchschnitt zum Leben zur Verfügung haben, müsste man übrigens auch andere Einkünfte etwa aus Vermögen, jene, die zu versorgen sind, und jene, die nicht arbeiten, mit einbeziehen.
14 Prozent Pay-Gaperklären nur die Hälfte
Für das Jahr 2014, wo der Wert beim Stundenlohn bei 22,2 Prozent lag, hat sich die Statistik Austria auf die Suche nach erklärbaren Unterschieden gemacht - und folgende gefunden: Frauen arbeiten in schlechter bezahlten Branchen (3,3 Prozentpunkte) und haben weniger gut entlohnte Berufe in diesen (2,8). Dazu kommen auch wegen Kinderkarenz mehr Unterbrechungen und damit eine weniger lange Unternehmenszugehörigkeit, Teilzeitarbeitsstunden sind schlechter bezahlt als jene in Vollzeit. Einige Punkte erhöhen Fraueneinkommen, zum Beispiel die bessere Bildung: Insgesamt sind 8,6 Prozentpunkte des Unterschieds erklärbar, 13,6 Prozentpunkte bleiben selbst bei statistischen Zwillingen unerklärlich. Mader: "Die zeigen die Diskriminierung im Job."
"Strukturelle Probleme wirken auf Frauen mehr als auf Männer. Dass das Risiko Schwangerschaft zum Beispiel nur Frauen zugeordnet wird, das ist ein Wettbewerbsvorteil von Männern am Arbeitsmarkt." Und: "Egal welchen Wert man nimmt, jeder Unterschied ist unfair und ungerecht."
Zum Buch