Früher soll auf dem Roten Planeten Wasser geflossen sein. Forscher haben entdeckt, warum er immer noch austrocknet.
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Köln/Wien. Vor einigen Milliarden Jahren soll der Mars ein wasserreicher Planet gewesen sein, auf dem Flüsse mäanderten und ein Ozean seine Wellen an die Küsten spülte. Seitdem hat sich unser Nachbarplanet komplett verändert, er wurde zur Wüste. Heute existieren im Marsboden nur geringe Mengen gefrorenen Wassers; in der Atmosphäre kommt Wasserdampf nur in Spuren vor.
"Über die Jahrmilliarden dürfte der Mars 80 Prozent seiner Wasservorräte verloren haben", sagt Paul Hartogh vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung (MPIS) im deutschen Göttingen. Die Wasserreserven seien unwiederbringlich ins All verdampft. Hartogh und seine Kollegen berichten im Fachjournal "Geophysical Research Letters", was dabei passiert ist und noch passiert.
Undurchlässige kalte Schicht
Sowohl die Marsluft als auch die Erdluft enthalten Wasserdampf. Er steigt nach oben. Je wärmer die Luft, desto mehr Wasser verdampft und desto höher die Luftfeuchtigkeit. Je kälter die Luft, desto weniger Wasserdampf nimmt sie auf und desto trockener bleibt sie.
In der Erdatmosphäre nimmt die Temperatur nach oben hin ab. In etwa zehn Kilometer Höhe, wo Flugzeuge fliegen, hat es um die minus 60 Grad. Dort ist die Luft so kalt, dass sie nur sehr wenig Wasserdampf aufnehmen kann, sodass kaum etwas davon bis in die mittlere Atmosphäre, Stratosphäre genannt, vordringen kann.
Das Besondere an der Stratosphäre ist, dass sie warm ist, obwohl sie so hoch oben liegt, da die Ozonschicht UV-Strahlung aufsaugt. "Obwohl die Stratosphäre so warm ist, ist sie extrem trocken, weil der Wasserdampf nicht durch die darunterliegende Kühlfalle kann", sagt der Astrophysiker.
Auf dem Mars läuft es ähnlich. Dort ist es allerdings in 60 Kilometer Höhe so kalt, dass der Wasserdampf friert. Somit müsste er in der kalten Luftschicht gefangen bleiben. Wie kommt er trotzdem höher hinaus?
"In der oberen Marsatmosphäre zerlegt die ultraviolette Strahlung der Sonne die Wassermoleküle in Wasserstoff (H) und Moleküle aus einem Wasserstoff- und einem Sauerstoffatom (OH). Das macht ihn leichter, weswegen er die Fluchtgeschwindigkeit des Mars von fünf Kilometer pro Sekunde (Erde: 12km/s, Anm.) erreichen, die Gravitation überwinden und sein System verlassen kann", erklärt Hartogh. Wie auf der Erde wird es aber auch auf dem Mars nach oben hin wärmer - was bei uns Stratosphäre heißt, nennt sich dort Thermosphäre.
Wie kommt der gefrorene Wasserdampf also durch die Kühlfalle in die Thermosphäre? In seinen Simulationen fand das deutsch-russische Team einen bisher unbekannten Mechanismus, der wie eine Mischung aus Raketenantrieb und Pumpe funktioniert. Das Modell beschreibt die Strömungen in der gesamten Gashülle, die den Mars umgibt - von der Oberfläche bis zu 160 Kilometern Höhe. Die Berechnungen zeigen, dass die eiskalte mittlere Mars-Atmosphäre an einem bestimmten Ort und zu einer bestimmten Jahreszeit für Wasserdampf durchlässig wird. Die Ursachen liegen in der Mars-Umlaufbahn.
Der Rote Planet braucht etwa zwei Erdenjahre für seinen Weg um die Sonne, Er verläuft deutlich elliptischer als der Erdorbit. Am sonnennächsten Punkt, der mit dem Sommer auf der Südhalbkugel zusammenfällt, trennen den Mars 42 Millionen Kilometer weniger von der Sonne als am sonnenfernsten Punkt. Der Sommer auf der Südhalbkugel ist deshalb deutlich wärmer als jener auf der nördlichen Hemisphäre.
"Wenn auf der Südhalbkugel Sommer herrscht, kann lokal Wasserdampf zu bestimmten Tageszeiten mit wärmeren Luftmassen aufsteigen und die obere Atmosphäre erreichen", fasst Hartogh zusammen. "Diese Zeitfenster tun sich zwei Mal am Tag auf."
In den oberen Atmosphärenschichten tragen Luftströme das Gas entlang der Längengrade zum Nordpol, wo es zum Großteil abkühlt und wieder hinabsinkt. Ein Teil des Wasserdampfes entkommt aber: Unter dem Einfluss der Sonnenstrahlung zerfallen die Wassermoleküle und der Wasserstoff entweicht ins All.
Mars-Stürme verstärken Effekt
Eine zweite marsianische Besonderheit kann den ungewöhnlichen Wasserkreislauf verstärken. Gewaltige Staubstürme suchen den Planeten immer wieder heim - letzmalig 2007 und 2018. "Die Staubmengen, die während eines solchen Sturms durch die Atmosphäre wirbeln, erleichtern den Transport von Wasserdampf in hohe Luftschichten", sagt MPIS-Forscher Alexander Medvedev.
Während des Staubsturms von 2007 hätte doppelt so viel Wasserdampf die obere Atmosphäre erreicht wie bei einem sturmlosen Sommer auf der Südhalbkugel. Da die Staubpartikel Sonnenlicht absorbieren und sich dadurch erwärmen, steigen die Temperaturen in der gesamten Atmosphäre um bis zu 30 Grad. "Der neu gefundene saisonale Wasserkreislauf trägt massiv dazu bei, dass der Planet weiterhin Wasser verliert", sagt Erstautor Dmitry Shaposhnikov vom Moskauer Institut für Physik und Technologie.
Mars-Wasser enthält übrigens fünf Mal so viel Deuterium wie irdische Quellen. Das macht es gewichtiger, wodurch es auch die Fluchtgeschwindigkeit schwerer erreicht. Forscher gehen davon aus, dass das Mars-Wasser früher gleich zusammengesetzt war wie auf der Erde, wodurch es leichter war. Damit erklären sie sich, warum 80 Prozent des Mars-Wassers bereits entwichen sind.