Die Einkommen der unselbständig und der selbständig Beschäftigten sind in den vergangenen Jahren kaum gestiegen.
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Wien. Anfang der Woche sorgte ein Einkommensbericht der EU-Kommission just während der heuer besonders hitzigen KV-Verhandlungen für Diskussionsstoff. Demnach stagnieren die Einkommen der heimischen Arbeitnehmer seit 2010. Interessant ist, dass auch die Einkommen der selbständig Beschäftigten, um die Inflation bereinigt, im vergangenen Jahrzehnt de facto nicht gestiegen sind, wie der aktuelle Einkommensbericht des Rechnungshofs zeigt. Was zugelegt hat, sind die Gehälter von Spitzenmanagern; und sogenannte atypische Beschäftigungsverhältnisse.
"Im Winter komme ich meist nicht über 1500 Euro netto im Monat. Im Sommer sind es dann circa 2500", erzählt Anna K. Sie betreibt ein kleines Café mit einer Angestellten in Wien. Laut dem Rechnungshofbericht, basierend auf Zahlen der Statistik Austria, ist das Medianeinkommen der ausschließlich selbständig Beschäftigten zwischen 2003 und 2015 von 10.900 Euro auf 11.719 Euro gestiegen. Nicht inflationsbereinigt ist das ein Plus von gerade einmal acht Prozent. Die Zuwächse bei den unselbständig beschäftigten betrugen im gleichen Zeitraum 23 Prozent, ebenfalls nicht inflationsbereinigt.
Gemessen an der Kaufkraft, stehen jedenfalls beide Gruppen heute nicht besser da als vor 15 Jahren. Die Gewinner der letzten eineinhalb Jahrzehnte, sind die ATX-Vorstände. Einer Studie der Arbeiterkammer zufolge siegen die Löhne der Vorstände der 20 größten börsennotierten Unternehmen in Österreich um 208 Prozent. Der starke Anstieg liegt vor allem am hohen Anteil variabler, erfolgsbasierter Gehaltskomponenten. Diese machten rund 45 Prozent des Gehalts aus.
Dass die Löhne der Arbeitnehmer laut EU-Bericht nicht steigen, liegt laut dem Institut für Höhere Studien (IHS) an der vergleichsweise höheren Inflation in Österreich und am deutlichen Anstieg an Teilzeitbeschäftigten. Insgesamt ist die Zahl der Beschäftigten um 300.000 Jobs gestiegen. Heute arbeitet aber rund ein Drittel in Teilzeit, bei den Frauen ist es sogar fast die Hälfte. Diese Faktoren drücken auf die Lohnentwicklung.
Wandel bei Selbständigen
Dass die Einkommen der Selbständigen ebenfalls stagnieren, erklärt Rolf Gleißner von der Wirtschaftskammer (WKO) mit einem Strukturwandel bei den Selbständigen. "Wir haben heute deutlich mehr Ein-Personen-Unternehmen (EPU)", sagt er zur "Wiener Zeitung". Viele seien auch nicht "Vollzeit selbständig", sondern würden das Familieneinkommen damit unterstützen. Ins Gewicht fallen auch die Gruppe der Personenbetreuerinnen, die meist aus den östlichen EU-Nachbarstaaten stammen, und die steigende Zahl an sogenannten neuen Selbständigen, deren Einkünfte meist niedrig sind.
Eine weniger optimistische Erklärung für den moderaten Anstieg findet die Autorin des Buchs "Die neue ArbeiterInnenklasse", Veronika Bohrn Mena von der Gewerkschaft. "Seit der Finanzkrise 2008 hat die Prekarisierung massiv zugenommen", meint sie. Einerseits sei die Zahl der EPUs und der sogenannten neuen Selbständigen deutlich gestiegen. Anderseits sei auch die Jobsicherheit zurückgegangen. Ihr zufolge ist derzeit ein Drittel der unselbständig Beschäftigten instabil beschäftigt. "Das bedeutet, sie arbeiten nicht einmal ein Jahr beim gleichen Arbeitgeber", sagt sie.
Eine Erhebung des Wirtschaftsforschungsinstituts zeigt zudem, dass die Lohnentwicklung der nicht stabil Beschäftigten deutlich flacher, als jene der "ordentlichen" Beschäftigten ausfällt. Durch häufige Jobwechsel und dem Hopping zwischen verschiedenen Kollektivverträgen bleiben Gehaltssprünge, die nach mehreren Jahren in einem Betrieb üblich sind, aus. Erhebungen des EU-SILC und der Statistik Austria zeigen zudem, dass aktuell 313.000 Menschen in Österreich als Working Poor gelten. Deren Erwerbseinkommen also unter der Armutsgrenze liegen. Die Hälfte von ihnen sind ausländische Staatsbürger.
Prekäre, unsichere Arbeitsverhältnisse wirken sich auch auf das Vertrauen in die Demokratie und das Demokratieverständnis aus, wie eine Studie des Sora Instituts zeigt. 86 Prozent jener, die ihre finanzielle Absicherung für die Zukunft als sehr schlecht bewerten, fühlen sich nicht mehr von der Politik repräsentiert.
Ein Fünftel dieser Gruppe hat sich laut Sora gänzlich von der Politik abgewandt und geht auch nicht mehr zu Wahlen. "Diese Menschen haben häufig keine positiven biografischen Erfahrungen mit Politik gemacht. Sie fühlen sich politisch schlecht vertreten, äußern ein geringeres politisches Interesse und sind politisch passiv oder aber enttäuscht bis wütend", schreibt Studienautorin Martina Zandonella in einer Aussendung dazu.