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Warum die Koalition weitermacht

Von Karl Ettinger

Politik

Schmids "Beichte" verschärft Nehammers Probleme. Druck in SPÖ für Nein zu Koalition mit ÖVP.


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Es mutete an diesem Tag fast wie eine Kabaretteinlage zweier Regierungsmitglieder an. Die Anschuldigungen des Ex-Generalsekretärs im Finanzministerium, Thomas Schmid, gegen den früheren Bundeskanzler Sebastian Kurz, der das zwar als "keine Überraschung" wertete und beweisen will, dass sie falsch seien, erschüttern die Republik. Aber nicht die amtierende Regierungsspitze, sondern Innenminister Gerhard Karner trat als Duo mit Staatssekretär Florian Tursky (beide ÖVP) am Mittwoch beim Pressefoyer nach dem Ministerrat an. "Ja, es ist lange angekündigt, gut Ding braucht Weile", hob Karner an. Er bewarb den Online-Führerschein und rühmte auch den Umstand, dass alle Polizisten mit Smartphones ausgestattet sind: "Es ist das ziemlich einzigartig in Europa."

Fragen an den Regierungschef nach dem Ministerrat zur ÖVP und zum Fortbestand der Koalition mit den Grünen waren nicht möglich. Nach seinem Amtsantritt im Dezember 2021 hatte ÖVP-Bundesparteiobmann Bundeskanzler Karl Nehammer noch betont, die ÖVP habe kein Korruptionsproblem. In einer dürren Stellungnahme gegenüber der APA meinte der ÖVP-Chef nur, er forderte "volle Aufklärung" durch die Justiz. Die Vorwürfe würden "die Vergangenheit betreffen", meinte Nehammer, der aber unter Kurz ÖVP-Generalsekretär war. "Wenn diese Vorwürfe stimmen, dann ist das nicht in Ordnung."

Nehammer: "Habe das Land durch die Krise zu führen"

Es stünden "jetzt viele konkrete und unkonkrete Aussagen von Thomas Schmid gegen viele Personen im Raum, deren Wahrheitsgehalt niemand von uns überprüfen kann", betonte der ÖVP-Parteiobmann. "Die Justiz soll diese Ermittlungen sorgfältig führen, ich habe das Land durch eine Krise zu führen."

Das Pressefoyer fand ohne die sonst meist übliche Beteiligung eines oder mehrerer grüner Regierungsmitglieder statt. Vizekanzler Werner Kogler nahm aber beim Eintreffen im Kanzleramt Stellung und sah sich in der Vorgangsweise der Grünen bestätigt. Mit dem Ultimatum an den damaligen Kanzler Kurz zum Rückzug vergangenen Oktober habe man die richtigen Konsequenzen gezogen. Justizministerin Alma Zadic (Grüne) und er hätten immer gesagt, dass die Justiz in Ruhe arbeiten können müsse, so Kogler. Das habe diese akribisch getan.

Die Aussagen von Bundeskanzler und Vizekanzler sind Signal dafür, dass die Regierungsspitze die Koalition unbeirrt fortsetzen möchte. Hauptbegründung ist, dass Österreich gerade in Krisenzeiten und im Ukraine-Krieg keine Neuwahlen brauchen könne.

Allerdings sehen etwa die Grünen, die im parlamentarischen ÖVP-Untersuchungsausschuss scharf gegen die ÖVP aufgetreten sind, die Koalition belastet, so Grün-Abgeordnete Nina Tomaselli. Die Vorarlbergerin galt deswegen als Feindbild für die Volkspartei, die Grünen-Chef Kogler nicht unter Kontrolle habe. In der grünen Basis werden die Enthüllungen die latenten Vorbehalte gegen die Koalition mit der ÖVP weiter schüren, wird parteiintern eingeräumt. Aber ein Aufstand der Funktionäre, der zum Ende der Bundesregierung führen würde, sei vorerst nicht zu spüren. In der ÖVP selbst will man angesichts des Absturzes in Umfragen auf rund 20 Prozent und Platz drei hinter SPÖ und FPÖ nichts von einem Koalitionsende und vorzeitigen Neuwahlen wissen.

SPÖ-Politiker wollen ÖVP auf Oppositionsbank verbannen

Die Wendung durch die "Beichte" Schmids bringt die SPÖ mit Parteichefin Pamela Rendi-Wagner in eine Zwickmühle. Zwar drängt auch sie auf Neuwahlen. In der SPÖ werden jedoch mehr Stimmen laut, die verlangen, die SPÖ müsse im Bund eine künftige Koalition mit der ÖVP ausschließen und diese nach gut 35 Jahren Regierungsbeteiligung in Opposition schicken. Das fordert der Vorsitzende des SPÖ-Gemeindevertreterverbandes, Andreas Kollross, Parlamentarier und Bürgermeister im niederösterreichischen Trumau. Dieser Ruf erklingt ebenso aus der SPÖ Burgenland von Landesgeschäftsführer Roland Fürst. In den Chor stimmt der neue JG-Chef Michael Kögl ein.

Von Rendi-Wagner gibt es vorerst keine kategorische Absage an eine Koalition mit der ÖVP. Sie hat bisher betont, zuerst sei der Wähler am Wort, dann sehe man das Abschneiden der SPÖ, die schaue, welche Koalitionsvarianten es gibt. Eine Koalition "mit dieser ÖVP" sei nur schwer vorstellbar.

Ganz konnte Karner Journalistenfragen zu Schmid freilich doch nicht ausweichen. Er werde sich als Innenminister nicht zu laufenden Ermittlungen äußern, und er könne den Wahrheitsgehalt nicht prüfen, beschied er.