Zum Hauptinhalt springen

Warum die Pleitewelle ausbleibt

Von Marina Delcheva

Wirtschaft

Dank guter Konjunktur und üppiger Hilfen bleiben Firmeninsolvenzen aus, Haftungen werden nicht schlagend.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 3 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie hätten nach Auslaufen der staatlichen Corona-Hilfen unzählige Unternehmen in die Pleite stürzen sollen. So die Befürchtungen. Passiert ist das bisher nicht, das Gegenteil ist der Fall. Wie die Statistik Austria am Dienstag mitteilte, gab es heuer im ersten Halbjahr sogar um ein Viertel weniger Insolvenzen als im Vorjahreszeitraum. Gegenüber dem Vorkrisenniveau von 2019 waren es sogar um 57,2 Prozent weniger. Von April bis Juni zählte die Statistik Austria 580 Fälle von Zahlungsunfähigkeit.

Dass die heimische Wirtschaft ohne Pleitewelle durch das erste Coronajahr gekommen ist, liegt an den auch im EU-Vergleich üppigen Coronahilfen. Bisher hat der Bund 39,5 Milliarden Euro an Hilfen ausbezahlt oder zugesichert. Der größte Brocken entfällt dabei mit 10,3 Milliarden Euro auf die Corona-Kurzarbeit. In den Umsatzersatz sind 3,4 Milliarden Euro geflossen, in den Fixkostenzuschuss 1,5 Milliarden.

Für Haftungen und Garantien sind 7,2 Milliarden Euro budgetiert, für Steuerstundungen und Herabsetzungen 5,7 Milliarden. Derzeit sieht es aber so aus, als würden diese Haftungen für Kreditausfälle, die für den Bund vom "Austria Wirtschaftsservice" (AWS) gezeichnet wurden, gar nicht schlagend werden.

Hohe Liquidität

"Mit den Corona-Maßnahmen ist 2020 ausreichend Liquidität geflossen", erklärt der Ökonom Thomas Url vom Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo). So seien Engpässe und eben Zahlungsunfähigkeit vermieden worden. "Hinzu kommt, dass das Wirtschaftswachstum massiv angesprungen ist." Davon hätten alle Branchen profitiert.

Auch die Kreditausfälle blieben weitgehend auf dem Vorkrisenniveau oder sind sogar zurückgegangen. Die Erste Group verzeichnete im ersten Halbjahr eine Kreditausfallsrate, eine sogenannte Non-Performing-Loan-Ratio, von 2,5 Prozent. Im selben Zeitraum 2019 lag sie noch bei 2,8 Prozent. Und auch bei der Raiffeisen International (RBI) sind die Ausfälle ausgeblieben. Der Anteil der notleidenden Kredite und Schuldverschreibungen beträgt 1,9 Prozent. Nicht nur in Österreich, sondern auch in Zentral- und Osteuropa, dem Kernmarkt heimischer Banken, blieben die Kreditausfälle auf dem Vorkrisenniveau und Haftungen wurden nicht schlagend.

Willst du diesen Inhalt sehen? Gib den anderen Cookies grünes Licht.

Wiener Zeitung Logo

Cookie Einstellungen

Ohne Cookies funktioniert die Website wienerzeitung.at nur eingeschränkt. Für eine sichere und einwandfreie Nutzung unserer Website werden daher technisch notwendige Cookies verwendet. Für die Darstellung von Inhalten von Drittanbietern (YouTube und APA) werden Session-Cookies gesetzt. Bei diesen kann eine Datenübermittlung in ein Drittland stattfinden. Ihre Einwilligung zur Setzung genannter Cookies können Sie jederzeit unter "Cookie Einstellungen" am Seitenende widerrufen oder ändern. Nähere Informationen zu den verwendeten Cookies finden sich in unserer Datenschutzerklärung und in unserer Cookie-Policy.

Technisch notwendig
Youtube
Andere

"Was Österreich betrifft, wurden bisher keine staatlichen Corona-Haftungen schlagend", erklärt Ingrid Ditz, Sprecherin der RBI auf Nachfrage. Gleiches gilt auch für die Erste Group. Was die staatlich besicherten Kreditausfälle betrifft, wurden diese "nur in einem vernachlässigbaren Ausmaß schlagend", heißt es aus der AWS auf Nachfrage.

Genauer: "Bei einer aktuell ausstehenden Haftungssumme von 6,4 Milliarden Euro wurden bis 30. Juni 7,9 Millionen Euro in Anspruch genommen", sagt ein Sprecher des Finanzministeriums auf Nachfrage. Dass es in naher Zukunft zu größeren Ausfällen kommt und der Bund einspringen muss, ist zumindest aus derzeitiger Sicht unwahrscheinlich.

Mit einem Wirtschaftswachstum im Juli um 6,7 Prozent über Vorjahr hat die Wirtschaftsaktivität wieder das Vorkrisenniveau erreicht, also den Durchschnitt 2019. In der Industrie und der Baubranche machte sich die Krise de facto nicht bemerkbar. Und auch der Tourismus und die Gastronomie, die besonders hart von der Krise getroffen wurden und noch immer unter den Reisebeschränkungen leiden, holen jetzt einiges an Umsatz auf.

"Die Insolvenzen, die 2020 und 2021 nicht stattgefunden haben, finden später statt", meint Url. Zu Beginn der Pandemie und mit dem Anlaufen der Wirtschaftshilfen hatte das Wifo noch mit einer Verdreifachung der Insolvenzquote gerechnet. Diese Annahme sei zu hoch gegriffen.

Höhere Einnahmen

Dennoch könnte die Zahl an Firmenpleiten mit dem Auslaufen der Kurzarbeit im kommenden Jahr und der Steuerstundungen, die immer noch laufen, in die Höhe gehen. Immerhin sind laut AMS noch 21.000 Arbeitnehmer aus gut 3.000 Betrieben in Kurzarbeit. Eine Pleitewelle, wie sie zu Beginn der Pandemie befürchtet wurde, scheint aber immer unwahrscheinlicher. Trotz Corona sinken dem Vernehmen nach die Anträge auf Steuerstundungen stark. Und auch bei der Körperschaftssteuer gab es keine Einbrüche: "Die Einzahlungen aus der Körperschaftsteuer beliefen sich von Jänner bis Juni 2021 kumuliert auf 3,5 Milliarden Euro und liegen damit um rund 1,4 Milliarden Euro höher als im Vergleichszeitraum 2020", heißt es aus dem Finanzministerium.

Deutet die niedrige Insolvenzquote angesichts der größten Wirtschaftskrise der Nachkriegsgeschichte nun auf eine Überkompensation der Firmen mit Steuergeld hin? Insgesamt nicht, meint Wifo-Ökonom Url. Ohne Instrumente wie die Kurzarbeit wären die Auswirkungen auf Unternehmen und Arbeitnehmer verheerender gewesen. "In einzelnen Branchen kam es kurzzeitig etwa durch den Umsatzersatz schon zu Überkompensationen", sagt Url. Betriebe, die wegen der Lockdowns geschlossen wurden, bekamen zeitweise 80 Prozent ihres Umsatzes ersetzt, während kaum Kosten für Löhne, Lieferanten und Energie angefallen sind.