Zum Hauptinhalt springen

Warum eigentlich nicht gleich die Familie Putz?

Von Golli Marboe

Gastkommentare
Golli Marboe ist freier Journalist, Publizist und Dozent zu Medienfragen, außerdem ORF-Publikumsrat (nominiert vom Neos Lab).
© Ursula Hummel-Berger

Eine Kampagne, die für Verwunderung sorgt.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 4 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Wenn man bei der Pressestelle des Roten Kreuzes fragt, wer die Covid-Medienkampagne "Schau auf Dich" konzipierte, dann erfährt man, dass das Rote Kreuz dieses Projekt entwickelt und der Regierung angeboten hat.

Aber es verwundert doch, dass eine ehrenwerte Einrichtung - die wirklich alle Milieus unserer Gesellschaft kennt - in den bisher (um Produktionskosten von rund 650.000 Euro) hergestellten Foto-, Radio- und Bewegtbild-Sujets der Kampagne ausnahmslos Personen zeigt, die man einem etablierten Mittelstand und damit der klassischen Wählergruppe der ÖVP zuordnen kann. Es verwundert doch, dass eine ehrenwerte Einrichtung wie das Rote Kreuz keinen Spot produzieren lässt, in dem eine alleinerziehende Mutter mit einem Volksschulkind an der Hand neben einer Supermarktkassa die bereits eingepackten Artikel wieder zurückgeben muss, weil die Bankomatkarte keine Überweisung mehr möglich macht. Es verwundert doch, dass eine ehrenwerte Einrichtung wie das Rote Kreuz es zulässt, dass in keinem einzigen Spot eine Frau mit Kopftuch oder ein Mensch mit einer anderen Hautfarbe als jener einer typischen Erstwohnsitzbesitzerin aus dem Salzkammergut zu sehen ist. Es verwundert doch, dass eine ehrenwerte Einrichtung wie das Rote Kreuz in keinem einzigen Sujet oder Clip bisher Probleme und Anliegen von Menschen mit Demenz, von Obdachlosen, von Alkoholkranken, von jungen Menschen mit depressiven Schüben oder ähnliches zum Thema macht.

Stattdessen erklären uns die aus der Werbewelt entliehenen immer gut gekleideten und die Krise mit einem Lächeln auf den Lippen ertragenden "Role Models", wie wir "Untergebenen" die Masken anzulegen hätten; sie erklären uns, dass wir "Lebensretter" werden müssen; und sie deuten zwischen den Zeilen an, dass, wenn wir das nicht sein möchten, wohl bald "die Flex" kommt.

In der Kampagne "Schau auf Dich" findet sich ein Gesellschaftsverständnis, das wir doch überwunden geglaubt hatten. Wird mit diesen Clips also das Weltbild der Türkisen nun auf ganz Österreich und all seine Bürgerinnen und Bürger ausgebreitet? Gebt dem Anführer alle Kompetenzen, und dafür belohnt er euch in Gutsherrenart mit dem, was ihr zum Biedermeierleben braucht?

Dass eine so ehrenwerte Einrichtung wie das Rote Kreuz (mit Geld von den Großspendern Raiffeisen und Erste Bank) solche eindimensionalen, von jeder Diversität einer modernen, liberalen Gesellschaft befreiten Clips herstellt, bricht mir als Vater eines Zivildieners, der beim Roten Kreuz mit hoher Wertschätzung seinen Kollegen gegenüber gearbeitet hat, das Herz. Gar nicht davon zu reden - und das verantwortet die Regierung ohne Rotes Kreuz als "Feigenblatt" -, was man sich darüber hinaus noch vor Augen halten sollte: wo, warum und in welcher Frequenz die Printinserate, die Audio- und Videoclip-Buchungen dann erscheinen. Es ist eher nicht davon auszugehen, dass die Familien Dichand, Fellner oder Mateschitz ihre Werbeflächen für die so gut gemeinte Kampagne "Schau auf Dich" kostenfrei zur Verfügung stellen. Die "Politik der Inserate aus Mitteln der öffentlicher Hand" (im vergangenen Kalenderjahr in Höhe von rund 200 Millionen Euro) macht also nicht einmal in Zeiten der Pandemie Pause.

Und wenn das alles schon so sein soll: Warum wurden eigentlich nicht gleich die Mitglieder der Familie Putz für diese Kampagne als Darsteller engagiert? Diese bekannte Kampagne eines Möbelhauses hat schließlich seinerzeit auch ein (ehemaliger) ÖVP-Minister erfunden.