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Die unklare, zwischen zwei Richtungen lavierende Position der SPÖ habe mit zum Wahlausgang beigetragen, sagt Politologe Fritz Plasser.
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Besonders bitter für die SPÖ ist ihr Ergebnis in Graz. Mit minus 12,51 Prozentpunkten ging die 2015 rot dominierte steirische Landeshauptstadt am Sonntag bei der Landtagswahl an die ÖVP verloren. Nach Auszählung der Wahlkarten kommt die SPÖ bei nur noch 15,4 Prozent zu liegen. Die Grünen fuhren im Gegenzug in Graz einen Triumph ein: mit einem Plus von 11,23 Prozenpunkten und einem Ergebnis von 25,22 Prozent liegen sie nur um 149 Stimmen hinter der ÖVP auf Platz zwei. Können aus der Entwicklung in Graz Schlüsse für die bevorstehende Wien-Wahl gezogen werden, und wenn ja, welche?
Der Innsbrucker Politologe Fritz Plasser sieht das Ergebnis neben dem allgemeinen Trendbild "auch als Ergebnis eines Schwankens zwischen zwei Positionen", ein Problem, dass die Sozialdemokraten schon seit längerem verfolgt und von ihnen bisher nicht gelöst werden konnte. Einerseits bestünde der Anspruch, Wählermilieus im Bereich der eher urbanen Mittelschichten anzusprechen - Menschen mit guter Bildung, die kulturelle Offenheit und fortschrittliche Maßnahmen erwarten würden. Anderseits, sagt Plasser, stünde der Anspruch, die SPÖ als Partei "für Sicherheit und Gerechtigkeit" zu positionieren, etwa über das Arbeitsmarkt-Thema, durchaus auch im Bereich Migration. Beide Bereiche, so der Politologe, versuche man personell wie auch kommunikativ zu verkörpern - ein fortgesetztes Dilemma.
Urbane Mitte versus Sicherheit
"Beide Richtungen haben, zumindest in der Steiermark, einen erheblichen Dämpfer bekommen", sagt Plasser. Als Modernisierungspartei für das linksliberale Milieu hätten die Grünen weitaus besser mobilisieren können, wohl auch aufgrund des Klimawandel-Themas. Umgekehrt hätten Wähler, denen das Sicherheitsthema besonders wichtig sei, etwa in den obersteirischen Industrieregionen, oder solche, die bei der letzten Wahl FPÖ gewählt hätten, diesmal öfter die ÖVP angekreuzt. Das bestätigen auch die Wählerströme: Ein erheblicher Teil der FPÖ-Wähler von 2015 wandert, wie auch schon bei der Nationalratswahl, zu den Nichtwählern - ein großer Teil aber auch zur ÖVP ab. "Die ÖVP kann hier diese Schichten durchaus abholen", sagt Plasser. Die SPÖ laviere um eine eindeutige Positionierung zwischen offener urbaner Mitte und Sicherheit herum. Mit Wien-Vergleichen solle man zwar vorsichtig sein, sagt Plasser. Immerhin seien Graz und die Bundeshauptstadt, was Stärke und Struktur der SPÖ betrifft, nicht auf Augenhöhe.
Plasser erwartet, auch aus taktischen Gründen, einen "späten Herbsttermin" für die Wien-Wahl: "Wird zu Jahresbeginn eine türkis-grüne Koalition gebildet, könnte der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig im Herbst bereits von ersten Enttäuschungsreaktionen in der grünen Wählerschaft profitieren." Bei entsprechendem SPÖ-Angebot - denn gerade in Wien seien die Grünen auch 2020 sicherlich "hochkompetitiv".