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"Warum hast du nicht angerufen?"

Von WZ-Korrespondent Ferry Batzoglou

Politik

Koalition vor Zerreißprobe, neue Sparmaßnahmen zum Wochenende.


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Athen. Foteini Skopouli kannte in Griechenland bisher kaum jemand. Das ist nun ganz anders. Die bisher unscheinbare Skopouli ist schon seit Ende Juni Vize-Gesundheitsministerin in der Athener Drei-Parteien-Regierung aus konservativer Nea Dimokratia, Pasok-Sozialisten und Demokratischer Linken (Dimar). Aber erst am Donnerstagabend hatte sie bei einer der seltenen Kabinettssitzungen unter Vorsitz von Premierminister Antonis Samaras ihren großen Auftritt. "Will noch jemand etwas sagen?", hatte Samaras in die Runde gefragt. Nur Skopouli wollte. Mit fester Stimme beschrieb sie in ein paar Sätzen die desaströse Lage in Griechenlands krisengeplagtem Gesundheitssystem. Sogar an Impfstoffen für Kinder fehle es in den Krankenhäusern, brach es aus Skopouli heraus. "Warum hast du mich nicht angerufen?", warf ihr ein sichtlich genervter Samaras vor. "Ich habe es versucht. Aber es ist nicht so einfach, sie zu erreichen, Herr Samaras!"

In Athen laufen nach dem Affront schon Wetten, dass das aufmüpfige Regierungsmitglied bald den Hut nehmen muss. Doch damit nicht genug. Nur wenige Stunden vor dem Vorfall musste Samaras die Einreichung eines Gesetzvorhabens seines konservativen Arbeitsministers Jannis Vroutsis buchstäblich im letzten Moment stoppen. Konkret sah der Vroutsis-Plan die Kürzung neuer Renten aus der Freiberuflerkasse um stattliche 35 Prozent vor. Der Aufschrei war groß. Insbesondere die mitregierenden Sozialisten waren entsetzt.

Die Athener Presse überzog Samaras und Co. mit Häme und Spott. "Wie eine verstimmte Gitarre" sei die Regierung, titelte die linksliberale "Eleftherotypia" am Freitag. Auch der regierungsnahe Radiosender "Skai" stellte fest: "Das sind Anzeichen einer großen Erschöpfung und Verständnislosigkeit."

Neue Gesetze bis Sonntag

Dabei muss die Athener Regierung bis Sonntag ein neues Gesetzespaket durch das Parlament peitschen. Kernpunkt ist dabei ein neuerlicher Tabubruch in Hellas: Bis Ende 2014 sollen 15.000 Staatsdiener entlassen werden. Ferner sollen die Lehrer mindestens zwei Stunden länger arbeiten, die ungeliebte Sonder-Immobiliensteuer weiter über die Stromrechnung eingetrieben und sogenannte "geschlossene Berufe" liberalisiert werden. Die Verabschiedung des Gesetzespakets ist die Voraussetzung dafür, dass Griechenland die nächsten Kredittranchen im Volumen von insgesamt 8,8 Milliarden Euro von der öffentlichen Geldgeber-Troika aus EU, EZB und IWF erhält. Bereits am Montag soll eine Rate von 2,8Milliarden Euro von der Euroworking Group genehmigt werden. Hellas hängt schon seit Mitte 2010 am Troika-Tropf.

Schon fragt man sich, ob die Regierung überhaupt durchhält. Fest steht: Die Dimar ist das schwächste Glied der Regierung. Denn die linksgerichtete Partei ist dem Druck der Wähler im Zuge der rigorosen Athener Sparpolitik am stärksten ausgesetzt.

Unterdessen hat die oppositionelle Syriza-Partei mit 29,5 Prozent der Stimmen die Nase vor der regierenden Nea Dimokratia. Laut einer am Freitag veröffentlichten Umfrage fällt die Nea Dimokratia auf 27 Prozent der Stimmen. Den jüngsten Turbulenzen in Athen zum Trotz: "Solange die Gesellschaft nicht einen Aufstand macht, wird die Regierung zwar wackeln, aber nicht fallen", hebt der renommierte Politik-Analyst Stavros Lygeros hervor. Samaras sah sich jedenfalls schon dazu veranlasst, zu Durchhalteparolen zu greifen. Auf der Kabinettssitzung am episodenreichen Donnerstag sagte er: "Wir haben den Ozean durchquert. Jetzt darf uns ein Löffel Wasser nicht zum Verhängnis werden."