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Warum immer zum falschen Zeitpunkt über das Vorziehen einer Steuerreform diskutiert wird

Von Harald Waiglein

Analysen

War da nicht was? Wer die in einigen Medien derzeit geführte politische Diskussion über ein eventuelles Vorziehen der für 2010 geplanten Steuerreform verfolgt, der kann sich nur schwer ein Gähnen verkneifen.


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Der Grund dafür ist, dass es bereits zu Zeiten der schwarz-blauen Koalition jahrelange, immer nach dem gleichen Muster ablaufende Diskussionen über ein Vorziehen der Steuerreform 2005 gegeben hat. Von 2001 bis 2004 trat fast wöchentlich entweder jemand aus der Riege der FPÖ, der SPÖ, der Sozialpartner oder der Landespolitik auf, um öffentlich laut über eine Vorverlegung zumindest von Teilen der Steuerreform nachzudenken. Jedesmal folgte darauf eine Stellungnahme von Finanzminister Karl-Heinz Grasser oder Bundeskanzler Wolfgang Schüssel, dass ein Vorziehen kein Thema sei - so oft, dass man als politischer Beobachter fast den Eindruck hatte, man höre eine Schallplatte mit einem Sprung.

Zu jedem A ein B

Für Journalisten mag das ja die Arbeit erleichtern - man kann unendliche Fortsetzungsgeschichten nach dem Motto: "A sagt Ja, B sagt Nein" schreiben. Alle anderen bitten mittlerweile insgeheim um Erbarmen und fragen sich, warum der Zeitpunkt einer Steuerreform viel öfter diskutiert wird als deren Inhalte.

Aussagen wie "Wir müssen den Mittelstand entlasten" oder "Vermögen muss stärker besteuert werden" zählen hier übrigens noch nicht wirklich als Inhalte. Wer ist der Mittelstand? Und welches Vermögen ist gemeint? Grundbesitz? Finanzanlagen? Oder Pelzmäntel und Luxusautos? Erst wenn man weiß, in welcher Form solche Ansagen konkret umgesetzt werden sollen, kann man eine inhaltliche Diskussion führen.

Unglücklicherweise hat die Politik die Tendenz, Steuerreformen zum falschestmöglichen Zeitpunkt im Konjunkturzyklus anzudenken. Jedesmal, wenn die Wirtschaft gut läuft, steigen naturgemäß die Steuereinnahmen, und das Defizit sinkt. Wie das Amen im Gebet folgen dann die Stimmen, die fordern, der Finanzminister möge den Steuerzahlern etwas von den unerwarteten Mehreinnahmen in Form von Entlastungen wieder zurückgeben.

Allerdings: Bei einem Wirtschaftswachstum jenseits der drei Prozent ist zusätzliches Geld vom Finanzminister so ziemlich das letzte, was die Konjunktur gebrauchen kann. Das wäre so, als würde man einem Ferrari auf der Autobahn noch ein zusätzliches Düsentriebwerk verpassen. Ab einem gewissen Zeitpunkt bringt höheres Tempo nichts mehr - dann nämlich, wenn man Gefahr läuft, von der Straße abzukommen. Ein zusätzlicher Impuls des Fiskus würde gegenwärtig wohl eher die Inflation erhöhen als das Wachstum stärken.

Geht man nach der Konjunktur, so wäre jetzt der richtige Zeitpunkt, um Steuern zu erhöhen oder Staatsausgaben einzusparen - vorzugsweise zweiteres, weil Österreich ohnehin bereits im internationalen Vergleich eine sehr hohe Abgabenquote aufweist.

Sparmaßnahmen wären auch insofern angebracht, als der Zustand des österreichischen Staatshaushalts schlechter ist, als von der Öffentlichkeit wahrgenommen.

Ein Defizit von 0,7 Prozent des Brutto-Inlandsprodukts, wie es für heuer angepeilt wird, ist zwar im historischen Vergleich für Österreich niedrig. Zieht man allerdings in Betracht, dass die heimische Wirtschaft heuer um 3,2 Prozent wachsen wird, dann ist dieses Defizit verdammt hoch. In Zeiten der Hochkonjunktur sollte Österreich eigentlich Budget-Überschüsse erzielen.