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Warum ist es am Rhein so schön?

Von Markus Kauffmann

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Markus Kauffmann , seit 22 Jahren Wiener in Berlin, macht sich Gedanken über Deutschland.

Der Rhein ist nicht einmal halb so lang wie die Donau. Doch mit seinen Zuflüssen verbindet er die Schweiz, Italien, Liechtenstein, Österreich, Deutschland, Frankreich, Luxemburg, Belgien und die Niederlande, also beinahe ganz Westeuropa. Sein Einzugsgebiet ist mit rund 252.000 Quadratkilometern dreimal so groß wie Österreich.


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Und er ist eine der verkehrsreichsten Wasserstraßen der Welt: Am Grenzübergang Emmerich nach Holland zählt man täglich durchschnittlich rund 550 Schiffe, fast zweihunderttausend im Jahr! Mit Rotterdam und Duisburg liegen sowohl der größte Seehafen als auch der größte Binnenha fen der Welt an diesem Fluß.

"Vater Rhein", wie ihn Heinrich Heine in einem seiner Sehnsuchtsgedichte nannte, bildet eine der großen Kulturlandschaften - vom Neandertal über die Römerstädte wie Trier und Köln, das kaiserliche Aachen, die Nibelungen-Städte Xanten und Worms bis hin zum größten deutschen Industrierevier und zur Metropolregion Rhein-Ruhr mit über zehn Millionen Einwohnern.

Als Weinanbaugebiet hat das Rheinland den Vorzug, daß sich der goldene Rebensaft so herrlich auf den Namen des Flusses reimt. A propos Name: Warum der Rhein so heißt, weiß niemand genau. Es gibt verschiedene Theorien, von denen eine auf das altgriechische "rhëin" (fließen, wie in "panta rhei") zurückweist; auch die Kelten könnten Namensgeber gewesen sein, meint eine andere und bezieht sich auf das keltische Wort für Fluss "roean".

Die berühmteste Rheinländerin, die goldhaarige Lore Ley, hat einen Nachteil: Sie hat nie existiert. Als Heinrich Heine das "Märchen aus uralten Zeiten" besang, war sie gerade erst 23 Jahre alt. Sie entsprang dem Dichterkopf des Clemens Wenzeslaus Brentano de La Roche, besser bekannt als Clemens Brentano. Wo der Rhein am tiefsten und engsten ist, bei Bacharach, erhebt sich ein 132 Meter hoher malerischer Schieferfelsen, von dem sich die männermordende, unglücklich Verliebte heruntergestürzt haben soll. Heute verführt ihr Gesang keinen Schiffer mehr, auch wurden die gefährlichsten Felsen in den 1930er Jahren gesprengt, aber gefahrlos ist die Passage nicht: Noch heute werden die Schiffe durch Lichtsignale vor Gegenverkehr gewarnt.

Einsame Jungfrauen auf hohen Felsen, unachtsame Schiffer im Kahn, Ritter, Drachen oder Heinzelmännchen - die mittelrheinische Landschaft verführt zum Träumen und Schwärmen. Die deutsche Romantik - Dichtung, Musik und Malerei - überschlug sich förmlich in Hymnen an diesen "deutschesten" aller Flüsse.

Das Kampflied "Die Wacht am Rhein" deutet auf die politische Bedeutung des Stroms hin, der zwischen Deutschland und Frankreich heiß umstritten war. Erst das Zusammenwachsen Europas als Werte- und Wirtschaftsgemeinschaft hat die Region befriedet und Rechts- wie Linksrheinisches zusammengeführt

"Die Brücke ist ihr Gewicht in Gold wert!", rief General Eisenhower, nachdem die ersten amerikanischen Soldaten die Rhein-Brücke von Remagen am 7. März 1945 überquert hatten. Zwei Sprengversuche der deutschen Verteidigung waren fehlgeschlagen. Nach Ansicht von Historikern hat die Eroberung der Brücke von Remagen den Kriegsverlauf um Monate verkürzt.

Der Rhein ist heute zum Symbol der Aussöhnung und zu einem Band des Wohlstandes geworden. Aber auch zum Symbol für gelingenden Umweltschutz: Nach dem ökologischen Tiefpunkt in den Sechzigerjahren, bei dem 40 Millionen Fische verendeten, und dem Sandoz-Skandal 1986 kann heute wieder Trinkwasser gewonnen und dürfen die Rheinfische auch gegessen werden.

Auch darum ist es am Rhein so schön.