Zum Hauptinhalt springen

Warum Legate und Pflichtteile nicht endbesteuert sind

Von Alfred Abel

Wirtschaft

Steuerbegünstigungen sind nicht immer leicht zu durchschauen. Das gilt auch für die sogenannte Endbesteuerung von Kapitalvermögen. Private Sparbücher und Forderungswertpapiere sind durch den | Kapitalertragsteuerabzug von den Erträgnissen endbesteuert, das heißt, eine weitere Einkommensteuerpflicht für die Zinsen und eine Erbschaftssteuerpflicht für dieses Vermögen entfällt. Daß es mit der | Erbschaftssteuer dennoch Probleme geben kann, zeigt ein Paket von insgesamt zwölf Höchstgerichtsakten, das soeben bekannt wurde. Demnach sind Geldlegate und Pflichtteilsansprüche von der gutgemeinten | Steuergunst praktisch ausgeschlossen.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 25 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Das durch die jüngste Rechtsprechung zutagegetretene Problem ist direkt im Erbschaftssteuergesetz begründet. Dort heißt es sinngemäß, daß erblasserisches Kapitalvermögen, das der Endbesteuerung

unterliegt, von der Erbschaftssteuer befreit ist. Gemeint sind vor allem die privaten Sparbücher, auch Forderungswertpapiere, wie Anleihen oder Pfandbriefe. Ein Sparbuch, das als solches im Zuge

eines Verlassenschaftsverfahrens auf einen Erben übergeht, wird dieser Steuerbefreiung teilhaftig.

Geldforderungen sind

kein Kapitalvermögen

Nun sind nicht immer Sparbücher und Wertpapiere selbst Gegenstand eines Erbverfahrens. Es gibt auch Vermächtnisse (Legate) und es gibt Pflichtteilsansprüche. Und genau hier beginnt für viele Laien

die Unverständlichkeit der juristischen Interpretation, zumal es in diesen Fällen im Regelfall nicht um Sachabfindungen geht, sondern um Bares.

Ein Geldlegat stellt sich juristisch als Forderung des Vermächtnisnehmers auf Auszahlung einer Summe Geldes dar. Ein Pflichtteilsanspruch begründet eigentlich keinen Anspruch auf einen aliquoten

Nachlaß-Anteil, sondern auf Auszahlung eines entsprechenden Wertes in Geld. Geldlegat und Pflichtteilsanspruch sind also grundsätzlich Ansprüche auf Geld und nicht auf das "endbesteuerte"

Kapitalvermögen des Erblassers.

Dies bedeutet, daß solche Geldansprüche nicht erbschaftssteuerfrei sind, selbst dann nicht, wenn zu ihrer Abgeltung endbesteuerte Werte (also etwa Geld aus erblasserischen Sparbüchern oder aus der

Verwertung der Wertpapiere) herangezogen werden. Selbst bei Übergabe von Sparbüchern oder Wertpapieren aus der Verlassenschaft an zahlungsstatt wäre für die Erbschaftssteuerfreiheit nichts gewonnen:

die Legate-Begünstigten oder Pflichtteilsberechtigten wüden dennoch zur Steuerkasse gebeten.

Verfassungswidrige

Erbschaftssteuer?

Diese kasuistisch anmutende Auslegung der gutgemeinten Steuerbegüstigung durch die Finanzbehöden hat selbst die abgebrühten Richter des Verwaltungsgerichtshofes stutzig gemacht. Sie fanden, daß in

der Verweigerung der Erbschaftssteuerbefreiung und/oder in der Besteuerung von Vermächtnis- bzw. Pflichtteilsansprüchen eine verfassungs widrige Ungleichbehandlung liegen könnte und schickten die elf

vorliegenden Beschwerdeakten ins Nebenhaus: der Verfassungsgerichtshof möge den geballten Verdacht auf Verstoß gegen das Grundgesetz überprüfen.

Das Imperium schlug alsbald zurück. In einer 42seitigen Analyse ) erläuterte das Höchstgericht, warum Vermächtnisse und Pflichtteilsansprüche, insbesondere solche in Geld, keiner Steuerbegünstigung

zugänglich seien. Begründung siehe oben: eine Geldforderung gegen endbesteuertes Kapitalvermögen sei etwas anderes als das direkt endbesteuerte Kapitalvermögen; das eine sei eben nicht endbesteuert,

das andere eben schon, noch dazu unangreifbar verfassungsmäßig abgesichert.

Das Gestaltungsrecht

des Gesetzgebers

Schlüsselerkenntnis der Verfassungsexperten: Der (einfache) Gesetzgeber sei (nur) dazu verpflichtet, auf Grund des im Verfassungsrang stehenden Endbesteuerungsgesetzes für den "todeswegigen Erwerb

endbesteuerten Vermögens" eine steuerliche Abgeltungswirkung vorzusehen: im Klartext: (nur) das in diesem Gesetz genau um schriebene Kapitalvermögen sei endbesteuert und erbschaftssteuerfrei zu

lassen. Bei anderen erblasserischen Vermögensteilen stehe es dem Gesetzgeber aber frei, eine solche Wirkung nicht vorzusehen; im Klartext: alles andere könne erbschaftssteuerpflichtig bleiben.

Geldforderungen seien nach den anerkannten Erkenntnissen der Jurisprudenz kein endbesteuertes Vermögen und der (einfache) Gesetzgeber habe dafür eben auch keine be sondere Steuerbefreiung vorgesehen.

Eine unsachliche Ungleichbehandlung könne in dem zulässigen Gestaltungsrecht des Gesetzgebers vom Verfassungsgericht nicht erkannt werden.

Abfuhr für elf

Beschwerdefälle

Und mit distanzierten Grüßen landeten die elf Akten des Verwaltungsgerichtshofes wieder auf dessen Schreibtischen. Klar, was danach folgte: mittels Standardbegründungen wurden die elf Beschwerden

der Steuerzahler als unbegründet abgewiesen. Nicht ohne deutlichen Hinweis auf das Bemühen des Verwaltungsgerichts um Änderung der Rechtslage und um die bedauerliche Negativhaltung der

Verfassungsrichter, die dieses Bemühen leider verhindert hätten.

Tips der Höchstrichter

für Auswege

Gibt es einen Ausweg aus der unbefriedigenden Situation? Die Herren im Verwaltungsgericht deuten selbst einen solchen an, freilich einen, der den Beschwerdeführern der elf Streitfälle nicht mehr

hilft.

Denn sowohl Vermächtnisse als auch Pflichtteilsansprüche müssen ja nicht immer auf Geld lauten. Ein (künftiger) Erblasser kann einem (künftigen) Pflichtteilsberechtigten durchaus auch direkt

endbesteuertes Vermögen (also etwa ein genau bezeichnetes Sparbuch) aussetzen. Auch ein Vermächtnis kann ausdrücklich in Form eines endbesteuerten Vermögenswertes (zum Beispiel in Form genau

bezeichneter Pfandbriefe) zugeeignet werden. Dann besteht der spätere Anspruch nicht mehr als Geldforderung, sondern direkt und gezielt als eine Kapitalvermögensforderung. Womit die

Erbschaftssteuerbefreiung gerettet wäre.

) VwGH Zl. G 170/96 u. a., v. 12. 10. 1998; dort sind auch die elf VwGH-Beschwerdefälle erwähnt; besonders lesenswert VwGH 98/16/0363 v. 17. 12. 1998.