Zum Hauptinhalt springen

Warum Literatinnen nicht auf ihr Frau-Sein reduziert werden sollten

Von Martyna Czarnowska und Klaus Huhold

Analysen

Es gilt als das große Jahr der Frauen in der Literatur. Die wichtigsten Auszeichnungen gingen 2009 an Frauen. Die französisch-senegalesische Schriftstellerin Marie NDiaye gewann den französischen "Prix Goncourt", die spanische Autorin Angeles Caso erhielt den Planeta-Preis, die höchstdotierte Literaturauszeichnung im spanischsprachigen Raum. Und in diesem Reigen darf auch Herta Müller nicht fehlen, die mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet wurde. | Aber ist es für die Autor-innen überhaupt ein Gefallen, wenn diese Auszeichnungen gleich mit ihrem Frau-Sein verbunden werden? Wurden sie prämiert, weil sie weiblich sind, oder einfach, weil sie gute Texte schreiben?


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 15 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Nehmen wir zum Beispiel Herta Müller. Sie wurde für ein Werk gewürdigt, das sich mit großer sprachlicher Kraft den Brutalitäten und Niederungen einer Diktatur entgegenstellt. Darauf richtete sich der Blick und nicht auf Herta Müller als Frau.

Gleichzeitig zeigt diese Flut an Auszeichnungen für Frauen, dass diese mittlerweile mittendrin sind im Literaturgeschäft. Waren sie jahrhundertelang an den Rand gedrängt, sind sie nun sichtbarer in der Öffentlichkeit. Von einem "Jahr der Frauen" zu sprechen, ist aber zu kurz gegriffen. Auch in den Jahren zuvor waren sie präsent, und in den Jahren danach werden sie es auch sein, egal, ob mit sogenannten Frauenthemen oder nicht.

Virginia Woolf empfahl, die eigenen Geschichten abseits männlicher Vorstellungen selbst zu erzählen. Die Voraussetzungen dafür: 500 Pfund und ein eigenes Zimmer.

Es geht um die Unabhängigkeit und die Möglichkeit. Frauen, jahrtausendelang in der Privatsphäre des Hauses eingeschlossen, waren finanziell an ihre Familien und Ehemänner gebunden, erhielten neben ihren häuslichen Verpflichtungen keinen Raum für künstlerische Entfaltung. Trotzdem hat es sie immer gegeben, die Dichterinnen, Schriftstellerinnen und Theoretikerinnen. Von Sappho bis zu Herta Müller, von Annette von Droste-Hülshoff bis zu Susan Sontag. Sie stellten den Texten der Männer ihre eigenen entgegen. Dennoch sollten ihre Bücher nach ihrer Qualität bewertet werden und nicht nach dem Geschlecht der Verfasserin. Wann heißt es denn jemals über einen Autor: Für einen Mann kann der ganz gut schreiben? Warum sollen Autorinnen sich das anhören müssen?

Wir brauchen Frauen, die schreiben. Wir brauchen Männer, die schreiben. Und wir brauchen Menschen, die sich nicht zu viele Gedanken über die Aufteilung in Frauen und Männer machen.