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Wiens Stadtregierung bekämpft tapfer den Antisemitismus vergangener Jahrhunderte. Noch lebende Juden bekommen weniger Aufmerksamkeit.
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Karl Lueger, Wiener Bürgermeister von 1897 bis 1910, war ohne jeden Zweifel nicht nur ein bedeutender und erfolgreicher Stadtpolitiker (großteils auf Pump), sondern auch ein besonders grober Antisemit.
Dass er damit in seiner Zeit nun wirklich nicht der Einzige war und Antisemitismus bei Politikern fast aller Couleurs ungefähr so verbreitet war wie die Filzlaus in Wiens damaligen Rotlicht-Etablissements, exkulpiert ihn nicht im Geringsten.
Insofern ist durchaus nachvollziehbar, dass die Wiener Stadtregierung den bisherigen Dr.-Karl-Lueger-Ring in Universitätsring umbenennen will. Dass dies nach noch nicht einmal 70 Jahren kontinuierlicher sozialdemokratischer Vorherrschaft in der Wiener Stadtpolitik geschieht, muss man wahrscheinlich als Beleg dafür verstehen, dass derart weitreichende, in das Leben aller Wiener unmittelbar eingreifende Entscheidungen eben nicht übers Knie gebrochen werden.
Besonders nett wäre natürlich gewesen, wenn die Wiener Stadtregierung nicht nur den toten Juden ihre Reverenz erweisen würde, indem sie den Antisemiten Lueger straßennamenmäßig downgradet, sondern auch den (zum Beispiel in Israel) lebenden Juden etwas Solidarität zeigen - etwa indem prominente Stadtpolitiker der Mehrheitsfraktion nicht als gern gesehene Gäste bei Wiener Demos jener Hamas aufträten, die Israel samt seinen Bewohnern gerne im Mittelmeer ertränken möchte. Aber man kann ja bekanntlich nicht alles haben.
Deshalb warten wir nun gespannt darauf, dass die Wiener Stadtregierung - wenn sie zwischen zwei saftigen Gebührenerhöhungen kurz einmal dafür Zeit hat - sich auch anderen Problembären unter den am Stadtplan verewigten widmet.
Als wirklich untragbar muss nach den derzeit in Wien offenbar geltenden Kriterien politischer Korrektheit etwa Julius Tandler als Namensgeber eines bedeutenden Verkehrsknotens der Stadt angesehen werden: Von 1919 bis 1934 war der Politiker sozialdemokratisches Mitglied der Landesregierung, was ihn nicht daran hinderte, für die Sterilisierung und Eliminierung "lebensunwerten" Lebens einzutreten. Was die Wiener Stadtregierung wiederum in den vergangenen Jahrzehnten nicht daran hinderte, ihm den Julius-Tandler-Platz zu widmen.
Als etwas problematisch wird auch der Namensgeber eines der bedeutendsten Bauwerke der Stadt angesehen werden müssen. "Der jüdische Nigger Lassalle, (. . .) dabei das wüste Fressen und die geile Brunst dieses Idealisten. Es ist mir jetzt völlig klar, dass er, wie auch seine Kopfbildung und sein Haarwuchs beweist, von den Negern abstammt. (. . .) Nun, diese Verbindung von Judentum und Germanentum mit der negerhaften Grundsubstanz müssen ein sonderbares Produkt hervorbringen", schrieb dereinst ein gewisser Karl Marx in einem Ton, der selbst bei Karl Lueger so nicht usuell war.
Eigentlich undenkbar, dass da der Karl-Marx-Hof seinen Namen behält. Als Ersatz böte sich etwa Friedrich-August-von-Hayek-Hof an, um dem großen österreichischen Ökonomen und Nobelpreisträger endlich auf ebenso subtile wie angemessene Art Respekt zu erweisen.