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Zypern ist eines der großen, ungelösten und auch der zwiespältigsten Themen, das in den vergangenen 50 Jahren immer wieder auf der internationalen Agenda stand. Die EU-Verträge von Athen, die feierlich unter der Akropolis unterzeichnet wurden, markieren einen Höhepunkt in der Geschichte der geteilten Insel und in der Geschichte der Europäischen Union. Am 1. Mai 2004 wird voraussichtlich die Gesamtinsel Vollmitglied, wobei die Regelungen nur auf ein Teilgebiet - den Südteil - angewendet werden.
Ob dies zu einer Lösung des Konfliktes beitragen wird, ob bis dahin eine Lösung gefunden wird oder aber ob die Teilung der Insel (Taksim) manifestiert wird, bleibt abzuwarten. Aus griechischer Sicht ist eine Form von Enosis (d. h. der Anschluss an das Mutterland) jedenfalls via die Brücke Europa gelungen.
In den vergangenen Jahrzehnten gab es eine Reihe von Vermittlungsversuchen zur Streitbeilegung auf der Insel. Alle sind letztlich gescheitert. Mittlerweile sehen gar nicht wenige auf allen Seiten die aktuelle Situation als bei weitem nicht mehr so negativ wie vor einigen Jahren.
Warum also weiter in teure Missionen mit der Gefahr des großen Prestigeverlusts investieren, wenn doch die normative Kraft des Faktischen belegt, dass eine geteilte Insel gar nicht so schlecht funktioniert? Eine erzwungene Lösung ist im Regelfall eine schlechte Lösung. Die UN-Versuche sind der beste Beweis dafür. Akzeptiert man die Teilung, öffnet schrittweise die Grenzen, gewährt ebenso schrittweise die Grundfreiheiten der EU und lässt den Zyprioten die Freiheit, sich anzunähern oder auf Distanz zu bleiben, so wird sich die Lage einigen Jahren weiter normalisiert haben - ob nun eine faktische Grenze auf einer kleinen Insel die EU teilt oder nicht, ist letztlich irrelevant.
Die Lösung kann jedenfalls nicht von außen kommen, sondern nur von innen. Angesichts der vielen schmerzhaften Erfahrungen und der daraus resultierenden Vorbehalten und Aversionen kann dies nicht innerhalb kurzer Zeit geschehen, sondern wird Zeit und Generationen brauchen. Europa hat fast 30 Jahre mit einer geteilten Insel gelebt und eine Fülle an Fehlschlägen in der Vermittlung einstecken müssen. Die Akzeptanz des Faktischen erscheint unter diesem Gesichtspunkt zumindest ein überlegenswerter Weg.
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Dr. Andrea K. Riemer ist A.o. Univ.-Prof. der International Universtity Vienna