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Warum Notenbanken besser unabhängig sind

Von Ronald Schönhuber

Wirtschaft

Die Verlockung, mit der Notenpresse die Konjunktur anzukurbeln oder Wohltaten zu verteilen, ist groß. Doch die Konsequenzen sind fatal.


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Wien. Das Mandat der Europäischen Zentralbank lässt eigentlich nicht viele Frage offen. Laut dem Vertrag von Maastricht soll die 1998 gegründete EZB vor allem die Preisstabilität in der mittlerweile auf 19 Staaten angewachsenen Eurozone garantieren, wobei das Idealziel bei einer Teuerungsrate von knapp unter zwei Prozent liegt. Daneben soll die weltweit wichtigste Notenbank neben der amerikanischen Federal Reserve auch die Stabilität des Finanzsystems im Auge behalten und die allgemeine Wirtschaftspolitik unterstützen.

Gelingen kann all das allerdings nur, wenn Notenbanken wie die EZB mit Fachleuten besetzt werden und unabhängig von ihren Regierungen agieren können. Denn anders als etwa EZB-Chef Mario Draghi oder sein US-Amtskollege Jerome Powell haben Politiker einen konkreten Nutzen davon, wenn sie mehr oder weniger auf Kommando Geld drucken können. So lassen sich durch das Anwerfen der Notenpresse etwa großzügige Staatsausgaben finanzieren, die dann im besten Fall auch einen spürbaren Zuwachs an Wählerstimmen bringen.

Zuletzt hat etwa der britische Oppositionsführer Jeremy Corbyn ein "Quantitative Easing for the People" gefordert, was sich auf Deutsch ungefähr mit "Geldschöpfung für das Volk" übersetzen lässt. Dabei sollte die Bank von England im Falle eines Wahlsiegs der Labour Party angewiesen werden, Anleihen einer staatlichen Investitionsbank zu kaufen, die dann mit dem auf diese Weise geschöpften Geld diverse Projekte finanzieren kann.

Corbyn ist allerdings kein Einzelfall. Auch die Bewegung der französischen Rechtspopulistin Marine Le Pen spielte lange Zeit öffentlichkeitswirksam mit der Idee, nach einem Euro-Ausstieg ganz einfach die Notenpresse anzuwerfen, um das Wachstum anzukurbeln.

Die Rechnung für das großzügige Geldrucken würden die Wähler allerdings später präsentiert bekommen. Denn bei einigermaßen gutem Timing würden vor den Wahlen vor allem die positiven Auswirkungen zu spüren sein, wie etwa die anziehende Konjunktur oder diverse soziale Wohltätigkeiten. Die drastischen negativen Konsequenzen würden sich dagegen erst lange nach dem Wahltag offenbaren, wenn die Inflation auf einmal drastisch ansteigt und sich der wirtschaftliche Aufschwung als Schimäre entpuppt. Erlebt hat das im 20. Jahrhundert vor allem das bis heute in dieser Hinsicht traumatisierte Deutschland. So war die Hyperinflation des Jahres 1923, die eine der schlimmsten der Geschichte war, ein Resultat der direkten Staatsfinanzierung. Auch die Nationalsozialisten missbrauchten die Notenpresse zur Finanzierung ihrer massiven militärischen Aufrüstung.

Wünsche gibt es immer

Als Konsequenz der schmerzhaften Erfahrungen mit einer aus dem Ruder gelaufenen Inflation haben sich die Regierungen zunehmend zurückgezogen. Damit sind heute nahezu alle bedeutenden Zentralbanken in der Welt mehr oder weniger unabhängig. Das bedeutet allerdings nicht, dass es gegenüber den Notenbanken keine Begehrlichkeiten gibt oder nicht immer wieder eindringliche Rufe nach einer Kurskorrektur laut werden.

So hat der damalige deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble vor zwei Jahren Draghi vorgeworfen, mit seiner ultralockeren Geldpolitik maßgeblich zum Erfolg der rechtspopulistischen AfD beigetragen zu haben. In die genau umgekehrte Richtung war es dagegen am Höhepunkt der europäischen Schuldenkrise gegangen. Nachdem die Zinsen für spanische Staatsanleihen im Herbst des Jahres 2011 auf einen 14-jährigen Höchststand geklettert waren und die Regierung in Madrid dadurch relativ plötzlich vor schwerwiegenden Finanzierungsproblemen stand, hatte der damalige Premierminister Jose Luis Rodriguez Zapatero sehr vehement eine noch viel stärkere Intervention der EZB eingefordert.