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Warum nur ausgerechnet jetzt?

Von Brigitte Pechar

Politik

Mikl-Leitner wird Finanzlandesrätin in Niederösterreich, Sobotka übernimmt das Innenministerium. Eine Analyse.


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Wien. "Aber hier, wie überhaupt, kommt es anders, als man glaubt." Als Johanna Mikl-Leitner am 21. April 2011 Innenministerin wurde, tat sie das mit einem Versprechen ihres Mentors, Landeshauptmann Erwin Pröll, nach Niederösterreich zurückkehren zu dürfen. Eigentlich hätte sie ja schon nach einem dreijährigen Schnupperkurs in der Bundesregierung ins Land zurückkehren sollen, aber dann kam die Flüchtlingswelle dazwischen. Das zweite Ticket für die Rückkehr der Innenministerin hat Niederösterreichs Landeshauptmann selbst ungültig gemacht, weil er in letzter Sekunde als ÖVP-Kandidat für die Bundespräsidentenwahl abgesprungen ist. Ein Grund, so hörte man damals, sei gewesen, dass Finanzlandesrat und Pröll-Stellvertreter Wolfgang Sobotka ein gewichtiges Wort dagegen eingelegt und eine glatte Landeshauptmann-Rochade Pröll-Mikl-Leitner verhindert habe. Sobotka, so hieß es, wollte selbst auf dem Landeshauptmannsessel Platz nehmen.

Am Sonntag hat der ÖVP-Bundesparteivorstand die Personal-Rochade überraschend beschlossen: Mikl-Leitner scheidet wunschgemäß aus der Regierung aus, ihr folgt Wolfgang Sobotka im Innenministerium nach. Mikl-Leitner übernimmt dafür dessen Agenden in Niederösterreich: Finanzen, Wohnen und Arbeit. Vor allem aber wird sie Landeshauptmann-Stellvertreterin. Am 21. April soll der Landtag dies bestätigen.

Noch einmal der starke Mann

Damit hat Niederösterreichs Landeshauptmann vor allem eines demonstriert: Dass noch immer er es ist, der bestimmt. Und zwar sowohl im Land als auch im Bund - was die ÖVP betrifft. Den mächtigen Finanzlandesrat Sobotka, der diese Funktion seit 18 Jahren ausübt, abzusetzen, war sogar für Pröll eine Herkulesaufgabe. Aber gegen eine Beförderung in ein Ministeramt konnte sich Sobotka schlecht wehren. "Bei genauerer Betrachtung steigt mit dem Preise auch die Achtung." So könnte man, frei nach Wilhelm Busch, dem auch das Eingangszitat zu verdanken ist, interpretieren, dass Ministerehren den Landeshauptmann abgegolten haben. Pröll tauschte den Buhler um seine Nachfolge gegen seine Wunschkandidatin aus.

Damit hat er sein Erbe geregelt. Am 24. Dezember wird der Landeshauptmann 70, ein gutes Alter, sich aus dem Berufsleben zurückzuziehen und an Jüngere zu übergeben. Mikl-Leitner macht aus ihrer Freude auch gar kein Hehl: "In einigen Tagen habe ich wohl den schwierigsten Job dieser Republik hinter mir und die schönste Aufgabe in Österreich vor mir", sagte sie am Sonntagabend nach der Entscheidung im ÖVP-Bundesparteivorstand. Pröll selbst wollte zum Zeitpunkt seines Rücktritts noch nichts sagen: Diese Frage stelle sich nicht.

Ob dies alles auch im Sinne von ÖVP-Obmann Reinhold Mitterlehner war, darf bezweifelt werden. Zwar sei der Wechsel zwischen Pröll und Mitterlehner Anfang des Monats bereits besprochen worden und vor einigen Tagen habe ihn, Mitterlehner, auch Mikl-Leitner über ihren Wunsch, nach Niederösterreich zurückkehren zu wollen, informiert, sagte der Vizekanzler. Dennoch: Eine Regierungsumbildung einige Tage vor der Bundespräsidentenwahl - die Angelobung Sobotkas soll kommende Woche erfolgen - ist solitär.

Warum jetzt? Aus Sicht des ÖVP-Hofburgkandidaten Khol kommt eine Debatte über eine Regierungsumbildung im Endspurt des Wahlkampfs mit Sicherheit ungelegen. Sagen tut er dies aber nicht. Er sei über den Zeitpunkt "weder verärgert noch beleidigt", sagte er am Montag im ORF-"Mittagsjournal". Khol glaubt sogar, dass die Debatte eher ein Vorteil für ihn sei.

Tatsächlich haben viele Politik-Beobachter des Landes nach dem 24. April, dem Tag der Bundespräsidentenwahl, aufgrund des zu erwartenden schlechten Abschneidens der Kandidaten der Regierungsparteien Khol und Rudolf Hundstorfer (SPÖ) mit einer Regierungsumbildung gerechnet. Andererseits könnte eine Niederlage Khols sehr leicht Pröll zugeschrieben werden: Weil er zu lange mit seiner Entscheidung, nicht selbst anzutreten, gewartet hat. Warum also jetzt? - Pröll signalisiert damit, dass das Gesetz des Handelns in seinen Händen liegt.

Ausgleichen dürfte Pröll seinen Rückzieher mit einem besonderen Einsatz für seinen Ersatz. Die niederösterreichischen ÖVP-Funktionäre sind besonders engagiert im Wahlkampf - was nicht ganz uninteressant ist. Schließlich wird die Hofburg-Wahl in den vier großen Bundesländern - Wien, Niederösterreich, Oberösterreich und der Steiermark - entschieden, wo 70 Prozent der Wahlberechtigten leben.

"Gibt keinen idealen Termin"

Zwar räumte Mitterlehner ein, dass es keinen "idealen Termin" für die Bekanntgabe einer solchen Rochade gebe. Aber man versuche "so gut es geht", das eine vom anderen zu trennen. Wie sich die Zusammenarbeit in der Regierung mit Sobotka gestalten wird, bleibt abzuwarten. Dieser hatte ja zuvor sowohl mit dem ÖVP-Chef selbst als auch mit Finanzminister Hans Jörg Schelling verbale Scharmützel ausgetragen. Schelling beeilte sich aber, dem neuen Regierungskollegen eine gute Zusammenarbeit anzutragen.

Die Funktion des Regierungskoordinators wird Staatssekretär Harald Mahrer von Mikl-Leitner übernehmen. Mikl-Leitner, die auch Chefin des mächtigen Arbeitnehmerflügels der ÖVP, des ÖAAB ist, hat angekündigt, diese Funktion abgeben zu wollen. Formal wird zunächst ein geschäftsführender Obmann, wohl der bisherige Generalsekretär August Wöginger, bestellt. Im Herbst erfolgt dann endgültig die Zepterübergabe.