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Warum regiert die ÖVP, Herr Vizekanzler?

Von Walter Hämmerle

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In der SPÖ kennt jeder Funktionär die Floskeln im Schlaf, was das Land davon hat, dass die Partei regiert. Der Volkspartei ist dieses politische Selbstverständnis abhanden gekommen.


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"Ich wünsche mir, dass die ÖVP und Josef Pröll ganz genau so bleiben, wie sie derzeit sind." Derjenige, der das kürzlich beim innenpolitischen Smalltalk in kleiner Runde sagte, steht politisch wie beruflich auf der anderen Seite.

Keine Frage: So sehr die verbliebenen eingefleischten Schwarzen derzeit am Zustand ihrer Partei verzweifeln und verbittern, so sehr delektieren sich die politischen Mitbewerber an der führungs- und orientierungslos wirkenden kleineren Regierungspartei.

Seit seiner schweren Erkrankung (Lungenembolie samt - laut Medienbericht - ausgedehntem Lungeninfarkt) vor rund einem Monat ist der Parteiobmann der Volkspartei und Vizekanzler sowie Finanzminister der Republik aus der Öffentlichkeit vollständig verschwunden. Das ist natürlich der Boden, auf dem wilde Spekulationen besonders üppig gedeihen.

Politisch, wenngleich nicht verfassungsrechtlich, ist Pröll der zweite Mann im Staat. Dadurch werden sein Gesundheitszustand und seine Befähigung zur Ausübung seiner Ämter automatisch Gegenstand des legitimen öffentlichen Interesses. Wird dieses nicht oder - nach Auffassung der Medien - nicht ausreichend befriedigt, gewinnt umgehend das Personalkarussell, für innenpolitische Beobachter ohnehin der liebste Zeitvertreib, an Fahrt.

Kommunikationstechnisch geht die Handhabung der Erkrankung Prölls nicht gerade als strategische Meisterleistung in die Geschichte der heimischen Innenpolitik ein; aber vielleicht setzt man in der ÖVP ja auf den Mitleidsfaktor für den angesichts der diversen innerparteilichen Turbulenzen ohnehin schwer geprüften Obmann .. .

Auf diese Weise wecken die schwarzen Spin-Doktoren - bewusst oder unbewusst - erhebliche Erwartungen in Inhalt und Inszenierung der Rückkehr Prölls auf die politische Bühne. Nichts weniger als ein Paukenschlag, ein großes Aufräumen bei den inhaltlichen und/oder personellen Baustellen wird auf diesen Anlass hin von allen Seiten herbeigeschrieben.

Dabei ist das Spiel mit solch hochgesteckten Erwartungshaltungen einigermaßen gefährlich, wie Pröll selbst aus eigener leidvoller Erfahrung zu berichten weiß. Im Vorfeld der Budgeter stellung hat er durch markige Spar-Vorgaben Hoffnungen geweckt, die der Budgetentwurf dann schlussendlich nicht erfüllen konnte. Hinterher wog die Enttäuschung samt politischem Schaden aus Sicht der ÖVP dann gleich doppelt schwer.

Unbestritten ist, dass das ÖVP-Regierungsteam erhebliche Schwachstellen aufweist. Beim Koalitionspartner SPÖ ist das allerdings auch nicht viel anders. Der Unterschied zwischen beiden Parteien besteht darin, dass der Volkspartei der ideologische Überbau ihrer Regierungsbeteiligung abhanden gekommen ist. Kein Wunder, immerhin ist die ÖVP seit 1986 ständig auf der Regierungsbank präsent. Da kann man schon einmal aus den Augen verlieren, für was man eigentlich politisch steht. Natürlich weiß die Partei für sich selbst ausgezeichnet, warum sie lieber regiert als opponiert, nur was haben die Bürger davon?

Wenn Josef Pröll auf diese Frage bei seiner Rückkehr nach Ostern eine konzise und überzeugende Antwort geben kann, hat er mehr für die Konsolidierung der Volkspartei geleistet, als wenn er ein paar seiner Minister austauscht.

Allerdings nur langfristig. Denn natürlich würde ihm ein billiger Polit-Aktionismus der Marke "Pröll räumt auf" für den Moment die sehr viel größeren Schlagzeilen einbringen. So funktioniert nun einmal Politik.