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Warum sich China doch bewegt

Von Ronald Schönhuber

Analysen

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Irgendwann im Jahr 2007 - so genau lässt sich das aufgrund der Komplexität der Materie nicht sagen - hat China die USA als weltgrößter Emittent von Treibhausgasen abgelöst. Seitdem gilt China als Klimasünder schlechthin: Wenn Journalisten die drohende Erderwärmung bebildern müssen, greifen sie gerne auf die rußig schwarzen Bilder chinesischer Kohlekraftwerke zurück, und wenn ein Schuldiger für die Blockade der internationalen Klimaverhandlungen gesucht wird, zeigt man rasch mit dem Finger auf das Reich der Mitte.

Die kommunistischen Parteikader hatten bisher völkerrechtlich verbindliche Emissionsreduktionsziele immer mit dem Verweis auf den Aufholbedarf der Volksrepublik abgelehnt. Zuallererst - so die bisherige chinesische Sicht der Dinge - müssten nämlich die Industrieländer ihren Treibhausgasausstoß senken, da diese auch die historisch größte Verantwortung für den bisherigen CO2-Anstieg hätten.

Als umso größere Sensation wurde es daher gefeiert, als China jetzt beim Klimagipfel in Durban Bewegung andeutete. Auf einmal konnte sich die Volksrepublik doch ein internationales Abkommen ab 2020 vorstellen. Wenn man allerdings genauer hinsieht, kam die Überraschung gar nicht so überraschend. Auch wenn China bisher rechtsverbindliche Emissionsziele entschieden abgelehnt hat, ist das Problembewusstsein in Peking in den vergangenen Jahren substanziell gewachsen. Im Jahr 2010 investierte die Volksrepublik etwa 54 Milliarden Dollar in emissionssenkende grüne Technologie, die wesentlich höher entwickelten USA brachten es im selben Zeitraum lediglich auf 34 Milliarden Dollar. 2009 schon hatte China einen Plan beschlossen, um den bisher steil nach oben weisenden Emissionsanstieg zu bremsen. Bis 2020 soll der CO2-Anstieg in Relation zum BIP-Wachstum um 40 bis 45 Prozent gesenkt werden.

Hinter der wachsenden Aufmerksamkeit für Klimaschutzbelange und erneuerbare Energien steckt freilich eine einfache Rechnung. Schon jetzt bekommt die Führung in Peking einen Vorgeschmack auf jene Probleme, die dem Land bevorstehen, wenn sich die Erde weiter aufheizt. In vielen Provinzen Chinas kämpft die Bevölkerung bereits mit Wasserknappheit und dem Voranschreiten der Wüsten. In anderen Teilen des Landes gab es wiederum ungewöhnlich heftige Niederschläge, die auch aufgrund der massiven Abholzungen zu Flutkatastrophen geführt haben. Luftverschmutzung und Smog als Nebenprodukte der fossilen Verbrennung sorgen immer wieder für Protestmärsche. Klimaschutz erscheint da auch den Kadern in Peking als billigere Lösung.