Die Forderung, so einen Konzern zur Kasse zu bitten, klingt gut, ist aber überhaupt nicht gerechtfertigt.
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Es vergeht im Wahlkampf sowohl in Österreich als auch in Deutschland kaum ein Tag, an dem nicht irgendein Politiker fordert, die großen Digitalkonzerne müssten hierzulande endlich so richtig viel Steuern zahlen. Und zwar, erraten, wegen "der Gerechtigkeit". Vor allem der Computer- und Handyhersteller Apple wird in diesem Zusammenhang immer wieder gern genannt. Angeblich, so haben hiesige Politiker herausgefunden, zahlt der Konzern weniger Steuern als "ein Würstelstand". Also: Empörung on!
Dergleichen zu fordern, klingt natürlich gut und dürfte vom ökonomisch nicht eben übertrieben kompetenten österreichischen Elektorat durchaus freundlich aufgenommen werden.
Es zeigt freilich vor allem, wie evidenzbefreit der aktuelle Stimmenfang funktioniert. Denn einen sachlichen Grund, Apple - übrigens der größte Steuerzahler in den USA - in Österreich oder Deutschland höher zu besteuern, gibt es nicht. Nur zur Erläuterung: Apples iPhones und MacBooks werden von einem Unternehmen, das seinen Sitz und seine meisten Mitarbeiter in den USA hat, nach Österreich geliefert und hier an Konsumenten verkauft. Die zahlen brav 20 Prozent Mehrwertsteuer - die der Staat übrigens nur dank Apple lukrieren kann. Der Gewinn hingegen, also die Differenz zwischen dem Verkaufspreis hierzulande und den viel niedrigeren Gestehungskosten in den USA (und China, wo die Produkte zusammengeschraubt werden), unterliegt natürlich, etwas vereinfacht dargestellt, der Besteuerung am Firmensitz, also dort, wo der Gewinn (genauer: der Mehrwert) entsteht.
Deshalb müssen ja auch amerikanische Jeanshersteller, SUV-Produzenten oder Flugzeugbauer ihre Gewinne aus in Europa verkauften Güter in den USA versteuern, ohne dass irgendjemand auf die absurde Idee käme, dies in Europa zu verlangen. Warum soll das bitte nicht genauso für iPhones oder MacBooks gelten?
Das wäre genauso verrückt, als müsste die Voest die Gewinne aus der Produktion von High-Tech-Weichen, die in Österreich hergestellt werden, in den USA besteuern, wenn sie dorthin geliefert werden.
Anders verhält es sich bloß mit dem Problem, dass viele US-Konzerne ihre in Europa erwirtschafteten Gewinn nicht gleich in die Heimat zurückholen, sondern etwa in Irland steuerfreundlich zwischenparken.
Dabei wird freilich nicht der deutsche oder österreichische Steuerzahler um einen einzigen Euro geprellt, sondern - wenn überhaupt - der US-Fiskus. Selbst wenn Irland gezwungen werden könnte, solche Privilegien abzuschaffen, würde der hiesige Fiskus davon nicht im Geringsten profitieren.
Aber darum geht es in einem Wahlkampf vermutlich auch gar nicht. Es geht doch in erster Linie darum, bei den Wählern die richtigen Emotionen auszulösen, ganz unabhängig davon, ob dem vermeintlichen Argument auch nur die geringste sachliche Basis zugrunde liegt. Und "Eat the Rich" - oder heute eben "Holt euch von Apple, was euch vermeintlich zusteht" - lässt das Herz der Ahnungslosen doch herrlich höherschlagen.
Noch grenzwertiger sind freilich jüngste Vorschläge, nicht die Gewinne, sondern die Umsätze der Digitalindustrie zu besteuern. Wer so eine Abgabe am Ende zahlen würde, ist klar: der Konsument, wie immer.