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"Warum sollte es dem Kanzler schaden?"

Von Walter Hämmerle und Freddie Kräftner

Politik

"WZ"-Interview mit dem Kaufmännischen Direktor des ORF. | Wrabetz hofft auf Unabhängigkeit der Stiftungsräte. | Wiener Zeitung: Warum haben Sie sich eigentlich nicht selbst für die ORF-Führung beworben, sondern sich kandidieren lassen?


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Alexander Wrabetz: Ich bin ein enger Mitarbeiter von Frau Dr. Lindner und wollte auch loyal ihr gegenüber sein. Allerdings gibt es einen großen Dissens - das ist der TV-Informationsbereich. Nach den Ergebnissen des Berichts der Mück-Gruppe sollte meiner Ansicht nach Werner Mück nicht befördert werden. Das zweite ist, dass Frau Dr. Lindner - ohne Vorankündigung - in ihre Bewerbung hineingeschrieben hat, dass die Tochtergesellschaften des ORF aus meinem Zuständigkeitsbereich herausfallen. Das hat mich zum Nachdenken gebracht.

Kann es sein, dass Lindner bereits mit Ihrem Antreten gerechnet hat?

Ich glaube, Sie steht unter starkem Druck bestimmter Kreise im ORF-Stiftungsrat, die die Veränderung der Geschäftsverteilung zu meinem Nachteil auch schon vorher gefordert haben.

Weshalb verfügt der ORF in der Öffentlichkeit über ein so schlechtes Image?

So schlecht ist es auch wieder nicht! Wir haben hervorragende Mitarbeiter, die allerdings ihren Stolz auf den ORF nach außen gut zu verbergen wissen. Die interne und externe Kommunikation hat einiges dazu beigetragen . . . Außerdem agieren wir zu zentral und damit zu langsam. Das muss wieder anders werden.

Haben Sie keine Angst, am Ende bloß Spielball politischer Interessen zu sein?

Natürlich werden am 17. August die 35 Stiftungsräte eine Entscheidung treffen, aber ich habe berechtigte Hoffnung, diese Entscheidung zu entpolitisieren.

Aber Ihre Mehrheit steht und fällt mit den fünf BZÖ-Stiftungsräten.

Das glaube ich nicht! Es geht nicht um Parteien, entscheiden werden die Stiftungsräte. Ich bin überzeugt, dass sich noch viele wundern werden, dass so manche Stiftungsräte aufgrund eines überzeugenden Hearings am Ende eine unerwartete Entscheidung treffen. Da sind ganz schön unabhängige Persönlichkeiten dabei - und das kann dann für oder gegen mich ausgehen.

Hat Ihnen die dem BZÖ-nahe stehende Stiftungsrätin Gheneff-Fürst, die sie unter anderen nachnominiert hat, zugesagt, Sie auch zu wählen?

Ich gebe über persönliche Gespräche mit Stiftungsräten keine Auskunft.

Von ÖVP-Seite heißt es, Ihre Kandidatur habe nur den Zweck, dem Kanzler eine auszuwischen.

Das sehe ich nicht so, es geht um eine gute Lösung für den ORF - warum sollte es dem Kanzler schaden?

Haben Sie eigentlich Verständnis für jemanden, der sich weigert, die ORF-Gebühr zu bezahlen, weil er der Überzeugung ist, dass eine Unterscheidbarkeit zu kommerziellen Sendern ohnehin nicht mehr gegeben ist?

Beim Radio, egal ob Ö1, FM4 oder Ö3, ist unbestritten, dass wir ein tolles Programm bieten, das gilt auch für ORF 2. Probleme gibt es also nur bei ORF 1 - und hier sehe auch ich Verbesserungsbedarf. Wir brauchen sicher einen jungen, urbanen TV-Kanal, allerdings mit mehr Information und Eigenproduktionen.