Der dritte Stich nach sechs Monaten erweitert den Kreis der möglichen Bezieher schlagartig auf eine Million Menschen.
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Wien ist am vergangenen Wochenende vorgeprescht und hatte die dritte Impfung, die bis dahin weitgehend nur für Ältere und Risikogruppen nach sechs Monaten möglich war, für die Allgemeinbevölkerung geöffnet. Es war ein Vorgriff auf die adaptierte Empfehlung des Nationalen Impfgremiums, in der auch angesichts der aktuellen epidemiologischen Entwicklung in Österreich der Bezieherkreis des dritten Stichs deutlich ausgeweitet wurde. Für die Länder bedeutet dies nun wieder eine organisatorische Herkulesaufgabe. Denn die Impfzentren wurden weitgehend abgebaut.
Bisher haben 385.000 Menschen in Österreich eine dritte Impfung erhalten. Das sind vor allem Personen im Gesundheits- und Pflegewesen sowie sehr Betagte gewesen, also all jene, die schon sehr früh geimpft wurden. Was bisher meist als Auffrischung oder "Booster" bezeichnet wurde, wird von Experten mittlerweile als dritter Teil der Grundimmunisierung gesehen. Es ist auch nicht unüblich, dass nach zwei Impfungen im Abstand weniger Wochen eine dritte nach einem halben Jahr verabreicht werden muss, um eine nachhaltige Immunität aufzubauen. Das ist auch bei der klassischen Zeckenimpfung und der Hepatitis-B-Impfung das anerkannte Impfschema.
Durch die Öffnung des Zugangs für de facto alle ab sechs Monaten sind nun bereits fast eine Million Menschen berechtigt, sich einen dritten Stich zu holen, ein Drittel hat ihn bereits. Dazu kommen noch mehr als 300.000, die mit dem Einmal-Impfstoff von Janssen (Johnson&Johnson) geimpft wurden. Die Delta-Variante hat die Wirksamkeit dieses Vakzins soweit herabgesetzt, dass diese Gruppe eindringlich gebeten wird, sich erneut impfen zu lassen. Rund 100.000 wurden allein in Wien mit Janssen geimpft.
Der Großteil der derzeit möglichen Bezieher einer dritten Impfung hat den Wirkstoff von Biontech/Pfizer erhalten. Dies war der erste Impfstoff, der zugelassen wurde, und zudem wurde bei AstraZeneca rasch ein deutlich längeres Intervall von zwölf Wochen zwischen den ersten beiden Teilimpfungen gewählt.
Das führt nun dazu, dass bisher nur knapp 35.000 AstraZeneca-Geimpfte in die Sechs-Monate-Frist fallen. Das Impfgremium ermöglicht in seiner aktuellen Empfehlung jedoch ein Vorziehen des dritten Stichs unter bestimmten Voraussetzungen. Exemplarisch werden einige aufgezählt, und eine diese Ausnahmen ist eine Impfung mit AstraZeneca.
Auch Drittstiche vor sechs Monaten sind möglich
Wörtlich heißt es: "Eine Unterschreitung des empfohlenen Impfintervalls von sechs Monaten ist in begründeten Ausnahmefällen (etwa vor Antritt einer längeren Reise, bei besonders hohem Expositionsrisiko, wenn erste zwei Impfungen mit AstraZeneca etc.) sinnvoll und kann nach entsprechender Aufklärung und Dokumentation erfolgen (off-label)."
Als allgemeine Empfehlung, die sechs Monate bei AstraZeneca zu unterschreiten, will Herwig Kollaritsch, Mitglied des Impfgremiums, dies aber nicht verstanden wissen. "Es ist eine Ausnahme", sagt er. "Man kann es machen, es hängt aber von der jeweiligen Situation ab." Es sei etwas anderes, ob man als Lehrerin jeden Tag vor vielen ungeimpften Kindern stehe oder nur wenige Kontakte habe, sagt Kollaritisch. Er weist auch darauf hin, dass bei AstraZeneca zwar nach etwa vier Monaten die Wirksamkeit gegen symptomatische Infektionen deutlich abfällt, jene gegen schwere Verläufe aber recht stabil bleibe.
In die grundsätzliche Überlegung zur eigenen Exposition und zu eventuell vorliegenden Risikofaktoren mischt sich angesichts von aktuell fast 10.000 Fällen am Freitag nun auch das Infektionsgeschehen. Bis Anfang Dezember würden nämlich 250.000 mit AstraZeneca Geimpfte in die Sechs-Monate-Frist fallen. Also jetzt noch extra die paar Wochen warten? Experte Kollaritsch fordert hier Flexibilität. Ein paar Wochen auf oder ab seien grundsätzlich nicht entscheidend, allerdings gibt die Zulassung für den dritten Stich mit den beiden mRNA-Impfstoffen eben nur eine Abgabe nach sechs Monaten her. "Und die Ärzte halten sich sehr genau an die Anwendungsempfehlungen."
Eine Off-label-Impfung ist für die Ärzte heikel, weil sie bei schwerwiegenden Nebenwirkungen mitunter haftbar sein können. Zwischen zweiter und dritter Impfung müssen mindestens 120 Tage, also vier Monate, vergehen, damit der Stich auch als dritter Stich gewertet wird, was für den Grünen Pass von Bedeutung ist. Bei immerhin 605.000 Personen, die mit AstraZeneca geimpft wurden, liegt der zweite Stich zumindest vier Monate zurück.
In den vergangenen drei Wochen haben rund 400.000 Menschen in Österreich eine Covid-Impfung erhalten, 120.000 davon einen ersten Stich, 180.000 einen dritten. In den kommenden Wochen soll es von allen mehr geben, also mehr Erststiche, mehr Drittstiche. Es ist das Mittel der Wahl der Politik im Kampf gegen Delta. Bis Weihnachten wären mehr als 1,5 Millionen Menschen berechtigt, sich ihre Immunität auffrischen zu lassen.
In Wien mit und ohne Termin zum dritten Stich
Für die Länder bedeutet das nun, früher als erwartet, wieder eine organisatorische Herausforderung. Wien baute das große Impfzentrum bei der Uni-City gar nicht erst ab, insgesamt stehen den Wienerinnen und Wienern 34 Standorte zur Verfügung. So wird etwa auch in einigen Bezirksämtern und in den Checkboxen geimpft, teilweise mit, teilweise ohne Termin. Wer sich nicht vorab anmeldet (telefonisch via 1450 oder online), muss mit Wartezeiten rechnen. Pro Tag schafft Wien 35.000 Impfungen.
In Niederösterreich fahren die Impfbusse nun sieben Tage die Woche, zudem wird in 500 Ordinationen geimpft. Impfzentren wieder hochzufahren, sei schwierig, heißt es aus dem Büro des Impfkoordinators, da die Veranstaltungshallen meist belegt sind - anders als im Frühjahr. Es wird aber in Einkaufszentren Impfstraßen geben und, wie in Wien, mit und ohne Termin gehen.
In Salzburg wiederum setzt man mehr auf den niedergelassenen Bereich. Jeder Bürger, der auf der Impfplattform des Landes registriert war, bekommt eine automatische Erinnerung für den Drittstich per SMS, Anruf oder Mail. Wer sich nicht auf der Plattform registriert hat und beim Hausarzt erst- und zweitgeimpft wurde, für den ist auch wieder der Hausarzt zuständig. "Der erfüllt auch am besten den Beratungsbedarf für die Impfung", heißt es vom Land.