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Warum wird Amerika gar so gehasst?

Von Christian Ortner

Gastkommentare
Christian Ortner.

Warum die Realisierung der Forderung, die USA mögen nicht dauernd den Weltpolizisten geben, in einem ziemlich finsteren Alptraum enden würde.


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Die USA sind eine von gewissen Ostküstenkreisen gesteuerte imperialistische Macht, die für Erdöl jedes Verbrechen dieser Welt begeht, andere Nationen überfällt, wenn es ihr gerade innenpolitisch in den Kram passt, mittels Drohnen und Supercomputern wahllos tötet und belauscht und sich in Form der Nato willfährige Vasallen hält, die sie bei Bedarf verwendet, um sich den Rest der Welt gefügig zu machen.

Ungefähr so sehen, grob zusammengefasst, derzeit erstaunlich viele Nutzer sozialer Netzwerke wie Twitter oder Facebook, aber auch die traditionellen Leserbriefschreiber großer Boulevardzeitungen die USA; und genau so wird die westliche Supermacht auch in aller Regel dort kommentiert, wo Menschen noch offline ihre Vorurteile austauschen, in der städtischen Sauna oder am ländlichen Stammtisch.

Nun haben sich die USA hierzulande nie besonders großer Beliebtheit erfreut, doch seit rund um die Krim-Krise ein "Kalter Krieg 2.0" zu eskalieren droht, wird der allgemeine Tonfall in einem Ausmaß gehässig, das selbst für hiesige Verhältnisse bemerkenswert ist. Fast könnte man angesichts der enormen Hasswelle im Souterrain der öffentlichen Meinung vermuten, nicht Russland sei in die Ukraine einmarschiert und habe sich dort rechtswidrig die Krim unter den Nagel gerissen, sondern US-Marines hätten Simferopol erobert, den Beitritt der Krim zur Nato ausgerufen und den Dollar als Landeswährung eingeführt.

Dass die USA nicht zuletzt in den Jahren seit den 9/11-Anschlägen Fehler begangen haben, wird vernünftigerweise niemand bestreiten. Trotzdem ist eher befremdlich, wie maßlos überzogen der Hass und die Feindschaft sind, die den USA momentan entgegenwehen.

Zu speisen scheint sich dieser Hass im Wesentlichen aus zwei völlig unterschiedlichen Quellen. Im eher linken, städtischen Milieu ist es die Abneigung gegen den Kapitalismus, die freie Marktwirtschaft und die Globalisierung, als deren wesentliche Agenten die USA in diesen Kreisen (inhaltlich ja übrigens nicht zu Unrecht) gesehen werden. Im eher rechten, leicht heimattümelnden und oft ländlichen Milieu hingegen gelten die Amerikaner als verdächtig kosmopolitische Kraft, die mit der Kraft von Monsanto und Coca Cola eine globale Unkultur errichtet.

Nicht selten wird den USA in diesem Milieu noch immer nicht verziehen, dass sie uns 1945 von den Nazis befreit haben; und noch immer kommt da der Antiamerikanismus als nur mühsam camouflierter Antisemitismus daher. Gemeinsam ist all diesen Amerika-Hassern, dass sie sich wünschen, die USA mögen sich nicht länger als "Weltpolizist" gerieren, sondern sich bloß noch um ihren eigenen Kram kümmern.

Zu vermuten, dass so eine bessere Welt entstünde, ist freilich ganz außerordentlich naiv. Denn ohne die USA hätten all jene Bösewichte, die regelmäßig irgendwo in dieser Welt hochpoppen und Ärger machen - von Pjöngjang bis Moskau, von Schwarzafrika bis in den Hindukusch, von den Mullahs bis zur Al-Kaida - endgültig freie Hand. Dass Europa, wenn es hart auf hart kommt, solche Probleme notfalls mit militärischer Gewalt lösen kann, war ja bisher nicht zu erkennen. Aber vielleicht entspringt der Hass auf Amerika ja auch diesem Wissen um die eigene geopolitische Impotenz.