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Der Neuigkeitswert des Integrationsberichtes 2016 hält sich in Grenzen, immerhin geht es darin um das Jahr 2015. Es lohnt sich trotzdem, die knapp 100 Seiten durchzublättern. Man erhält einen ziemlich guten Überblick über die Herausforderung, die Land und Leuten mit der Aufnahme dieser Menschen in den kommenden Jahren und Jahrzehnten vor sich haben.
Die Sache mit den westlichen Werten ist dabei die leichtere Übung. Der wirkliche Knochenjob besteht darin, die Jobs zu schaffen, den Wohnraum, die Kindergarten-, Schulplätze und was es sonst noch alles braucht, um alle, die bleiben - samt den Familien, die nachkommen - in unsere Gesellschaft, so gut es geht, zu integrieren:
Dass angesichts der Dimensionen dieser Herausforderung manchem angst und bang für Gegenwart und Zukunft wird, ist verständlich. Die großen Berichte über islamistische Terroranschläge tragen genauso wenig zur Beruhigung der Lage bei wie die fast täglichen kleineren Meldungen über Raufhändel, Messerstechereien, Vergewaltigungen oder das parteipolitische Hickhack darüber, ob eine Notverordnung jetzt unbedingt notwendig oder eh völlig überflüssig ist. Das verunsichert sogar diejenigen, die in ihrem Alltag nicht mit Flüchtlingen in Kontakt kommen. Manchmal kann die durch Medien und Politik vermittelte Realität größere Ängste freisetzen als die erlebte (was aber, ehrlich gesagt, auch umgekehrt geschehen kann). Die Aufgabe, zwischen beiden Welten zu unterscheiden, müssen die Bürger schon selbst leisten, das kann ihnen keine politische Partei und auch sonst niemand abnehmen. Diese Zeiten sind vorbei und kommen hoffentlich nicht wieder.
Die Stimmung in den vergangenen Jahrzehnten war oft so, dass die Politik ihre Bürger mit Reformideen behelligte, deren Notwendigkeit oft nicht überzeugte. Weil es zur DNA der Politik gehört, im Zweifel mit der Mehrheit zu schwimmen als gegen sie zu handeln, ist aus den meisten Vorhaben nie etwas geworden.
Jetzt haben viele das beunruhigende Gefühl, es müssten sich dringend viele Dinge ändern, wenn möglichst alles beim Alten bleiben soll. Die Regierung hätte also, jedenfalls rein stimmungstechnisch, die Lizenz zum großen Wurf. Doch mehr als Trippelschritte wollen nicht gelingen. Das wird sich unter einer anderen Regierung nicht ändern. Die Idee vom "großen Wurf" ist ebenfalls ein Relikt aus vergangenen Zeiten.